Erklär mir deine Welt
DISKURSBrief #81: Wir lassen uns die Äpfel nicht madig machen
In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diesmal geht es um die Wahlen und die Kunst des Kompromisses.
In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diesmal geht es um die Wahlen und die Kunst des Kompromisses.
Liebe Frau Hirzberger!
Meist schicke ich schon vor dem Sonntag meine Antwort auf Ihre Briefe an die Redaktion. Diesmal allerdings erst am Montag, denn ich wollte die Ergebnisse der Nationalratswahl abwarten. In der Vermutung und leider auch Befürchtung, dass sie meine Stimmungslage beeinflussen werden. So ist es auch geschehen. Ich werde Sie damit verschonen, aber völlig ausblenden werde ich sie nicht können. Zumal Ihre Erörterung des Begriffes „Kompromiss“ – erwartungsgemäß – in der kurzen Rede des Bundespräsidenten zum Wahlausgang ein deutliches Gewicht bekommen hat.
Ich neige ja nicht dazu, im Ergebnis eines Kompromisses Sieg oder Niederlage zu sehen. Bis Sonntagmittag, als wir zur Wahl gingen, hat es bei uns ja einen ehelichen Disput gegeben, ob wir nun strategisch wählen sollen oder unserem Gewissen folgend. Da wir uns nicht einigen konnten, half uns ein Kompromiss: Wir teilten uns – ich übernahm die Gewissensvariante und war damit zufrieden. Um 17 Uhr sind wir dann nicht eiligst zum Fernsehgerät gestolpert (dasselbe ist nämlich aus dem wohligen Wohnbereich verbannt), sondern haben unsere Partie Rommé in Ruhe fertiggespielt – die Welt wird derweil schon nicht untergegangen sein. Schließlich haben wir irgendwann das Ergebnis zur Kenntnis nehmen müssen: Unser Kompromiss hatte zwei Niederlagen nicht aufhalten können. Aber die Welt und unser Leben sollen nicht von Pessimismus bestimmt sein, schließlich habe Martin Luther gesagt, selbst wenn für morgen der Weltuntergang angesagt wäre, würde er heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Nun, für ein Apfelbäumchen ist es im Jahreslauf schon zu spät. Aber die rotbackigen Äpfel des Herbstes im Leben lassen wir uns von keinem Wurm madig machen. Und was die Kompromisse im Partnerschafts- oder Eheleben betrifft, will ich Ihnen noch eine kleine, mir überaus liebe Geschichte über ein gutes Rezept für Kompromisse erzählen, auch wenn Sie diese vielleicht schon einmal gehört oder gelesen haben. Ich erzähle sie einfach so gerne.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!