Gaisbauer - © Foto: Furche

Brief #79: Kleinkram, Respekt und echte Menschen

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diesmal geht es um "Guilty Pleasure".

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diesmal geht es um "Guilty Pleasure".

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Liebe Frau Hirzberger!

Wenn ich unseren Briefwechsel mit einem Kartenspiel vergleichen möchte, sagen wir „Schnapsen“, dann könnte ich heute schreiben, dass Sie mit der Hymne auf Ihr Guilty Pleasure, der Dating-Reality-Show „Bachelorette“, eine ganz schön hohe Karte ausgespielt haben. Für mich besteht hierbei natürlich wieder eine Menge Unbekanntes und damit Nachlernbedarf!

Bevor ich meine Karte ausspiele, möchte ich natürlich wissen, was mit Guilty Pleasure gemeint ist. Gleich auf den ersten Mouse-click bekomme ich etwas Spannendes serviert: „Guilty Pleasures gehören irgendwie zum glücklichen Leben dazu. Sie sind eine Art Self-Care, für die man sich auf keinen Fall schämen sollte.“ Aha. Das beruhigt mich, denn nach ein paar Zeilen werde ich Ihnen mein Guilty Pleasure bekennen.

Ein Vorführen von "Typen"

Zuvor aber noch zu Ihrem, der Datingshow „Bachelorette“. Ich habe mir natürlich eine (ganze!) Folge angeschaut. Einfach nach dem Zufallsprinzip. Ich will mich jetzt nicht über Inhalte äußern, höchstens darüber, wie ziemlich schonungslos, aber überhaupt nicht zärtlich, über Vorlieben beim Sex geredet wurde. Andere Inhalte konnte ich ohnehin nicht aus- und schon gar nicht aufnehmen, was natürlich vor allem an der rasanten und meine Augen extrem überfordernden Schnittdramaturgie liegt. Und vor allem am Sprachtempo der Moderatorin.

Aber nein, von „Sprache“ kann da überhaupt nicht mehr die Rede sein. Da fliegen nur Phrasenfetzen in einem mir nicht geläufigen Slang – und in einer Überheblichkeit der Moderatorin, die ziemlich kaltschnäuzig die vorgeführten Menschen lobt oder sonst wie beurteilt.

Das Ganze scheint mir wirklich eher ein Vorführen von „Typen“ und „Typinnen“ zu sein. Wahrscheinlich ist das bei allen Casting- und Datingshows das Momentum, um einen derzeit auch in politischen Debatten beliebten Ausdruck zu verwenden. Aber vielleicht glauben auch die Spindoktoren mancher Politiker, dass Schnellsprechen und Dreinreden für den Wahlerfolg günstig sind. Eigentlich müsste sich jeder Rhetoriklehrer mit Grausen abwenden. Bei mir erreicht eine solche Trommelfeuerrhetorik nur angewidertes Abschalten.

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