HIrzberger - © Foto: Furche

Brief #64: Signale meiner Hündin

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um das Singen und um Hunde.

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um das Singen und um Hunde.

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Das frühsommerliche Wetter hat mich eiskalt erwischt. Etwa einen Meter Durchmesser hat mein lila Regenschirm – und trotzdem bin ich patschnass. Beim Verlassen der Volkshochschule blieb sie abrupt im Eingangsbereich stehen und schaute mich mit ihren großen ängstlichen Augen an. Eine klare Aufforderung an mich, sie zu tragen. Also nahm ich sie mit ihren elf Kilo hoch und öffnete den Schirm, um meinen Schützling möglichst sicher und trocken nach Hause zu transportieren. Das war gar nicht so einfach, denn vor lauter Angst versuchte sie, auf meinen Armen dem Regen zu entkommen. Ich verzichtete auf meinen Teil des Regenschutzes. Fast hätte ich sie trocken nach Hause gebracht, doch nach 15 Gehminuten kam eine rote Ampel, die einfach nicht grün werden wollte. Meine Arme verließen die Kraft und meinen Welpen die Zuversicht, nicht nass zu werden. Das Ende vom Lied: Wir rannten mit wehendem Schirm durch den Regen unsere Straße hoch und wurden vor der Wohnungstür mit Handtüchern begrüßt.

Im Nachhinein stelle ich fest, dass ich auf die Signale meiner Hündin hätte hören können. Sie wollte eigentlich nicht raus, war ungewöhnlich unruhig und auch ein bisschen aggressiv. Aber ich hatte nun mal einen Termin und kann sie (noch) nicht allein zu Hause lassen (zu ihrem Schutz und um meine Provision nicht zu verlieren). Also begleitet sie mich jede Woche zu meinem Gesangsunterricht. Ja, ich nehme Gesangsunterricht. Nicht, weil ich finde, dass die Welt meine Stimme hören soll, oder weil ich ein kleines Show-Pony bin (was ich tatsächlich auch manchmal bin). Nein, Singen ist mir einfach fürchterlich peinlich. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie peinlich. In meiner ersten Stunde wäre ich am liebsten in den Erdboden versunken. „Ich gebe Geld aus, um mich schlecht zu fühlen, das kann doch nicht normal sein“, dachte ich mir.
Meine eigenen Zweifel machten auch die Reaktionen anderer nicht besser. Ob ich denn jetzt bei der „Großen Chance“ auftreten will, was ich mir davon verspreche, fragten mich die Leute. Ich verspreche mir davon, mich selbst lieber zu haben und mich von einem Teil meiner Ängste und Unsicherheiten zu lösen. Es ist schon interessant, dass Dinge oder Tätigkeiten immer einen „Sinn“ haben müssen. Nicht nur einen Sinn, sie müssen sinnvoll verwertet werden können.

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