HIrzberger - © Foto: Furche

Brief #58: Ohne Handy fühle ich mich einsam

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um digitale Obsession.

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um digitale Obsession.

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Lieber Herr Gaisbauer!

Ich wurde von meiner Vergangenheit eingeholt: Ich habe mein Handy verloren. Von 2015 auf 2016 hatte ich eine Phase, in der mir innerhalb eines Jahres sechsmal Handys abhandenkamen. Eines spülte ich versehentlich das Klo hinunter. Meistens hatte ich aber Glück. Entweder ich fand es wieder, zum Beispiel in der Universitätsbibliothek, oder andere Menschen bewahrten es für mich auf. Während meines Auslandssemesters verlor ich mein Handy bei einem Festival. Erst als ich bei meinem Wohnheim ankam, merkte ich, dass etwas fehlt.

Rebecca, eine britische Studentin aus Birmingham, fand das Telefon auf dem Festivalgelände; den Securitys vertraute sie nicht, deshalb wollte sie das Smartphone auch nicht abgeben. Stattdessen suchte sie in meinen Kontakten nach einem Wort, das mum heißen könnte. Tatsächlich gelang es ihr, mit meiner Mutter zu telefonieren. Wie sie ihr genau verständlich machen konnte, dass ich mein Handy bei ihr abholen soll, weiß ich bis heute nicht, denn meine Mutter beharrt darauf, dass sie kein Englisch spricht.

Jedenfalls dachte ich, mit Uni-Abschluss und Erwachsenwerden hätte ich auch meinen Hang zum Handyverlust abgeschlossen – aber nein. Es gibt ja Menschen – wie eine Freundin von mir –, die solchen Ereignissen Bedeutung zuschreiben und nach Parallelen in der Lebensverfassung von damals und heute suchen würden. Was halten Sie denn davon? Momentan habe ich keine Energie dafür. Fotos, Videos, Erinnerungen, wichtige Kontakte, die man nicht so leicht wiederbekommt, meine Kreditkarte via „Apple Pay“, alle Social-Media-Zugänge – es graut mir vor den ganzen Dingen, die ich jetzt rückverfolgen werde, um sicherzustellen, dass niemand Zugriff auf persönliche Daten hat.

Auch ein learning aus meiner Handyverlustphase: Zufällig bemerkte ich, dass über meinen Google-Account Videos von Ultraschallaufnahmen eines ungeborenen Babys auf YouTube gepostet wurden. Erst da kam mir die Idee, das Gerät orten zu lassen. Schwups konnte ich sehen, Handy Nummer eins der Verlustserie wurde in den Tiefen der Slowakei verwendet. Eben mit meinem Google-Account, der noch an das Gerät gekoppelt war.

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