Gaisbauer - © Foto: Furche

Brief #65: Die Blaue Blume der Poesie darf in den Schulen nicht verdorren

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um Kunst an der eigenen Kindheitsschule.

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um Kunst an der eigenen Kindheitsschule.

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Liebe Frau Hirzberger!

Am vergangenen Wochenende war ich wieder einmal in dem Ort, wo mein Elternhaus steht. Leider hat es für ein längeres Herumspazieren in meiner Kindheit zu viel geregnet. Aber für einige Schlüsselorte hat es gereicht. Etwa für die inzwischen großzügig ausgebaute Volksschule (zu meiner Schulzeit war an der alten Fassade noch zu lesen: Kaiser Franz Joseph Jubiläums-Volksschule). Die Schule hat einmal so ausgeschaut, wie eben alle Schulen und Bahnhöfe damals, vor 150 Jahren. Hier also hat vor nicht ganz 80 Jahren mein sogenannter Bildungsweg begonnen. Und zwar unter den Fittichen einer herzenswarmen Lehrerin mit dem schönen Vornamen Helene.

Heute bestaune ich ein seltsames Kunstwerk an der neuen Fassade: Ein Kind mit goldenem Ball und ein anderes mit blumenblauem Kleid und Katze spielen und träumen vor sich hin. Neben ihnen balancieren ein drittes Kind auf dem Rücken eines Großen (Erwachsenen?) und darauf wieder ein Kind, das kleinste, das sich nach der aus 127 Keramikmedaillons leuchtenden Sonne ausstreckt. Ich interpretiere: Licht. Bildung. Die Kinder tragen alle ganz zarte Kronen, nur angedeutet. Das, so habe ich gehört, hätte im Ort Befremden ausgelöst.

Der Anlass für meinen Besuch war eine Ausstellung im Gemeindesaal, zu der ich sprechen sollte. Eben mit Bildern der Künstlerin, die auch die Schulwand bemalt hat. Auch in der Ausstellung tragen alle Kinder auf den Bildern Kronen. Und darüber habe ich gesprochen. Etwa so: Die Krone auf den Köpfen der Kinder steht für die Würde des Menschen. Habe ich gesagt. Und die Forderung nach Achtung diese Würde steht in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, als Artikel 1. Sie ist unantastbar. Heißt: Wir sind alle königlichen Geblüts und tragen als Symbol dafür die unsichtbare Krone, federleicht – wie in den Bildern der Künstlerin Koni Oberhauser. Das schreibt sie auf ihrer Homepage: „Meine Königskinder sind sehr wandlungsfähig. Sie schlüpfen in vielerlei Gestalten, sind Frau, Mann, Kind, Baum, Stein, Tier ….. Sind wir bereit für neue Wahrnehmungen? Oder trotten wir, brav und ungeprüft, die alten Wege?“

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