Andrea Scherer, Forum Alpbach, EFA23 - © (c) Gandolf Feigl

Wie gelingt der Aufenthalt am Forum Alpbach?

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Wie macht man das beste aus seinem Aufenthalt am Europäischen Forum Alpbach? Einige Tipps zu Gesundheit, Inhalten und der Angst, etwas zu verpassen.

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Wie macht man das beste aus seinem Aufenthalt am Europäischen Forum Alpbach? Einige Tipps zu Gesundheit, Inhalten und der Angst, etwas zu verpassen.

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Der Aufenthalt am Forum Alpbach kann nicht einfach genossen werden. Er ist ein herausfordernder Balanceakt zwischen Erlebnissen, Ängsten und der eigenen Gesundheit. Nicht umsonst hört man am Forum immer wieder den Spruch „Alpbach is what you make of it“, zu Deutsch: „Alpbach ist, was du daraus machst.“ Um das beste aus der Forumszeit zu machen, gilt es, einige Tipps zu beachten.

Noch bevor wir überhaupt in Alpbach ankommen, muss freilich gepackt werden. Die 24-jährige Juristin Lara Arikan vom Club Alpbach Steiermark hat einige Tipps parat: „Man muss für Hochsommer und Spätherbst packen, in Alpbach kann einen jedes Wetter erwarten.“ Außerdem rät sie, die Tracht nicht daheim zu vergessen. Die Erfahrung zeigt: Auf so manchen Empfang eines Bundeslandes kommt man notfalls auch ohne Ticket, wenn man dafür ein schönes Dirndl oder eine fesche Lederhose mit einem freundlichen Lächeln kombiniert. Was den Stil der Kleidung betrifft, meint Arikan: „Lieber etwas bequemer, es muss hier nicht Business sein.“ Insgesamt empfiehlt sie, lieber zu viel als zu wenig mitzunehmen. Endlich in Alpbach angekommen sollte man noch am ersten Tag dem lokalen Spar einen ausführlichen Besuch abstatten: Sobald das Forum in Schwung kommt, ist er gerade zu Mittagszeiten zum Platzen voll.

Überleben trotz viel Alkohol und wenig Schlaf

Bevor wir über das schöne Leben am Forum sprechen können, müssen wir das über-leben am Forum sicherstellen. Das Wohlbefinden der meisten Stipendiaten ist in Alpbach vor allem durch zwei Dinge bedroht: Sehr wenig Schlaf und sehr viel Alkohol. Was den Schlafrhythmus betrifft, liegt Alpbach in einer anderen Zeitzone: Um 2 Uhr in der Nacht schlafen zu gehen entspricht dem Durchschnitt, schon zu schlafen, bevor im Gasthof Jakober die letzte Runde ausgerufen wird, entspricht einer üblichen Schlafenszeit von 19 Uhr. In der Mitte der zwei Wochen eine taktische Pause einzulegen, und einmal lang zu schlafen, heilt so manche „Alpbach Grippe“. Bekommen kann man diese unter anderem von der Klimaanlage im Congress Center, vor der man den eigenen Hals schützen sollte. Zu viele Jakober-lose Nächte braucht es aber auch nicht. Denn die Bleib-doch-noch-da-Überreder sagen nicht zu Unrecht: „Schlafen kannst du das ganze Jahr – wie oft kannst du im Jakober sein?“ Na gut, auf eins können wir ja gehen. Zu den wichtigsten Medikamenten zählen in Alpbach große Mengen schwarzen Kaffees, Ibuprofen und Samarin gegen aus unerklärlichen Gründen auftretendes Sodbrennen.

Selbstverständlich gibt es aber auch, sich um die mentale Gesundheit zu kümmern. Die größte Bedrohung für sie geht von der sogenannten „FOMO“ aus. Der „Fear of missing out“, also der Angst, etwas zu verpassen. In Alpbach fällt diese Neigung auf fruchtbaren Boden, bietet das Programm doch zum Teil fünf gleichzeitig stattfindende Veranstaltungen, die alle verlockend klingen. Am Forum versucht man inzwischen, das Etwas-Verpassen positiv umzumünzen und mittels paradoxer Intervention eine „Joy of missing out“, also die „Freude, etwas zu verpassen“ in Existenz zu rufen.

Angst, neues auszuprobieren – Angst, etwas zu verpassen

Mit einer der FOMO ähnlichen, aber entgegengesetzten Angst, hat sich die 25-jährige Industrielogistikerin Andrea Scherer (siehe Bild), ebenfalls vom Club Alpbach Steiermark, auseinandergesetzt. Letztes Jahr hielt sie im Rahmen des Alpbacher Redewettbewerbs „Speakers’ Night“ eine Rede mit dem Titel „FOMO vs FOTO“. Die zweite Abkürzung nimmt humoristisch die FOMO aufs Korn und benennt sie zur „Fear of trying out“ um, also der Angst, etwas neues auszuprobieren. In ihrer Rede spielte sie mit einem Paradoxon: Einerseits hat die junge Generation so viele Entscheidungsmöglichkeiten wie keine zuvor, entsprechend der FOMO ist sie damit oft überfordert. Andererseits leidet so mancher gleichzeitig unter der Angst, neues auszuprobieren, etwas unangenehmes zu machen, die viel zitierte Komfortzone zu verlassen.

Auf Alpbach umgelegt empfiehlt Scherer, Seminare zu besuchen, mit deren Inhalt man sich noch nie beschäftigt hat, sich auf neue Leute einzulassen, und politische Meinungen, denen man bisher widersprochen hat, offen zu begegnen. Gegen FOMO und FOTO zu kämpfen, lohne sich jedenfalls: „Alpbach und das Leben sind die Möglichkeit, jeden Tag zu wachsen und etwas neues zu lernen.“ Den Mut, neues auszuprobieren bezieht Scherer auch darauf, Themen kritisch zu hinterfragen, Systeme neu zu denken und Selbstzweifel hinten anzustellen. Wessen FOMO auf den Jakober bezogen ist, dem empfiehlt Scherer pragmatisch und augenzwinkernd: „Im Zweifel eine Stunde kürzer schlafen.“

Lieber Kamingespräch als Bühnendiskussion

Wenn wir nun all das bedenken, können wir das beste aus der Vielfalt der Möglichkeiten schöpfen. Das Forum bietet verschiedene Veranstaltungsformate: Kamingespräche, Workshops, gemeinsame Wanderungen, aber auch Panel-Diskussionen. Generell kann man empfehlen: Im Zweifel kleinere Veranstaltungen besuchen. Der intimere Rahmen erlaubt ehrlichere und offenere Diskussionen, mehr echten Diskurs als so manches Event auf der größten Bühne.

Für den Philosophen Josef Mitterer, der im wissenschaftlichen Beirat des Forums sitzt, gibt es für ein gelungenes Alpbach einen Imperativ: „Kommunizieren!“ Mit neuen Leuten ins Gespräch zu kommen, Menschen mit anderen Ansichten, das mache Alpbach aus, so Mitterer. Er fügt noch hinzu, der Austausch solle „nicht nur Abends auf der Terrasse vom Jakober“ stattfinden, sondern auch in den Seminarpausen und überhaupt immer, wenn sich die Möglichkeit bietet.

Was man in Alpbach nicht tun sollte...

Da stimmt auch Lara Arikan zu. Sie empfiehlt, sich schnell mit Leuten aus anderen Clubs zu vernetzen. Die Clubs sind die lokalen Standbeine des Alpbach-Netzwerks. In Österreich gibt es sie in jedem Bundesland, weltweit kommen noch rund 30 dazu. Insgesamt rät sie, gemäß dem Kampf gegen die Angst, neues zu probieren: „Zu Dingen ja sagen, zu denen man sonst nein sagen würde.“ Und um alles einmal zu verarbeiten und runter zu kommen schlägt sie vor: „Zwischendurch alleine spazieren gehen.“

Es gibt auch Dinge, die man in Alpbach nicht machen sollte. Arikan warnt davor, in Alpbach große Lebensentscheidungen zu treffen. Denn: „Alpbach ist eine Parallelwelt, in der man alles anders betrachtet als daheim, in der man sich anders verhält, in der man völlig andere Beziehungen pflegt.“ Für Lebensentscheidungen eignet sich aber die Zugfahrt nach Hause vorzüglich.

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