Parlament

Politikwissenschaftler Eric Miklin: „Die FPÖ könnte ein Opfer ihres Erfolgs werden“

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Die rechtspopulistische FPÖ wurde die stimmenstärkste Partei – was ihr aber nichts nützen dürfte. Die ÖVP hatte bereits vorab einer Koalition eine Absage erteilt. Nun gilt es Konventionen über Bord zu werfen, sagt der Salzburger Politikwissenschafter Eric Miklin. Auch bei der Wahl des Ersten Nationalratspräsidenten sieht er diese nicht als zwingend.

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Die rechtspopulistische FPÖ wurde die stimmenstärkste Partei – was ihr aber nichts nützen dürfte. Die ÖVP hatte bereits vorab einer Koalition eine Absage erteilt. Nun gilt es Konventionen über Bord zu werfen, sagt der Salzburger Politikwissenschafter Eric Miklin. Auch bei der Wahl des Ersten Nationalratspräsidenten sieht er diese nicht als zwingend.

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Die Furche: Die ÖVP sieht nach ihrer ersten Sitzung nach den Wahlen die FPÖ als stimmenstärkste Partei am Zug, als erste den Sondierungsauftrag für eine nächste Regierung zu bekommen. Wie interpretieren Sie diesen Wink an den Bundespräsidenten, bei den bisherigen politischen Usancen zu bleiben?

Eric Miklin: Die ÖVP ist in der komfortablen Position. Sie will den Ball an den Bundespräsidenten weiter spielen. Ihr wäre es recht, wenn dieser der FPÖ den Vortritt ließe. Damit würde das Narrativ nicht weiter verstärkt werden, dass man die Freiheitlichen übergehe. Das Kalkül der ÖVP: Kickl und Co. sollen den Sondierungsauftrag bekommen – und dann zusehen, was sie erreichen. Das ist ein Versuch, den FPÖ-Vorwurf von der „Einheitspartei“, zu der alle anderen Parteien gehören, zu entkräften. Doch diese Erzählung wird der FPÖ ohnehin nutzen, sollte es zu einer Dreierkoalition ohne sie kommen.

Die Furche: Das Argument der ÖVP lautet, man soll die „demokratischen Usancen“ in Österreich wie gehabt weiterführen, sowohl beim Sondierungsauftrag als auch bei der Bestellung des ersten Nationalratspräsidenten.

Miklin: Eine Forderung, die nirgendwo geschrieben steht. Es besteht kein Zwang sich an Traditionen zu halten. Es steht nirgends, dass es so sein muss, dass die stärkste Partei nach einer Wahl den Regierungsauftrag erhält und in eine Regierung kommen muss. Letzteres hatten wir auch schon, denken Sie daran, wie im Jahr 2000 die ÖVP als drittstärkste Partei den Kanzler stellte und die SPÖ als stimmenstärkste Partei in der Opposition blieb. Auch der Nationalratspräsident muss nicht von der stärksten Partei gestellt werden. In Österreich hat man sich aber bei diesem Bestellungsvorgang bis jetzt immer sehr an die Usancen und informellen Regeln gehalten. Auch wenn es darum ging, Änderungen der Geschäftsordnung im Parlament stets einstimmig zu beschließen. Man hat die FPÖ also da immer wie alle anderen Parteien behandelt, was jetzt nicht in allen Ländern so ist. In Deutschland zum Beispiel ist man mit der AfD in den Länderparlamenten teilweise durchaus etwas anders umgegangen. Das geht sogar soweit, dass die Geschäftsordnung geändert wurde, um die AfD übergehen zu können. In Österreich hat man das bis jetzt nicht gemacht.

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