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DISKURS
Patschenteufel - © Illustration: Rainer Messerklinger

Patschenteufel

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FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet.

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FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet.

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Seit Menschengedenken wütet auf dem Balkan der Patschenteufel. Auch Mutter war von ihm besessen. Jedes Jahr zu Weihnachten vergeudete sie hart verdientes Geld für unsere verweichlichten Füße. Bunte Plüschpatschen leuchteten uns beim Öffnen der Geschenke entgegen. „Zieht sie über, sonst bekommt ihr eine Eierstockentzündung“, befahl Mutter mir und meiner Schwester. Als ich zum ersten Mal bei meiner Kindheitsfreundin in der Kärntner Bauernstube zu Gast war, verlangte ich verängstigt nach warmen Patschen. Wirre Augen sahen mich an, denn hier trug niemand außer Großmutter dicke Wollschuhe. Als Einzige sprach sie noch „Windisch“, wie man Slowenisch in Südkärnten nannte. Bestimmt war auch sie mit dem Patschenteufel bekannt. In der Baščaršija, der Altstadt von Sarajevo, lungert er noch heute zwischen den alten Ständen des Basars, die über und über mit priglavci, traditionell gestrickten Patschen, behängt sind. Als meine Großmutter starb, ging Mutter auf den Dachboden und legte mir Großmutters blau gemusterte priglavci in die Hände. Manchmal hole ich sie aus dem Schrank, denke an Großmutters rosarot lackierte Fußnägel, an ihre maronifarbene Haut und ihre von Ödemen aufgedunsenen Knöchel. Schon sie war überzeugt, dass Eierstöcke ohne Patschen nicht fruchten. „Ich will keine Kinder“, trotze ich dem Patschenwahn. Nur gut, dass Großmutter und der strickende Teufel kein Wort Deutsch verstehen, sonst säße ich längst in der Patschenhölle.

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