Weggesperrt
FOKUSReform des Maßnahmenvollzug: „Wir sperren lästige Menschen lieber weg“
Kommen psychisch kranke Menschen mit dem Gesetz in Konflikt, werden sie in den Maßnahmenvollzug eingewiesen. Dieser wird seit Jahren reformiert, im Endeffekt bleibe es aber bei „Reförmchen“, kritisiert die Anwältin Julia Kolda im Interview.
Kommen psychisch kranke Menschen mit dem Gesetz in Konflikt, werden sie in den Maßnahmenvollzug eingewiesen. Dieser wird seit Jahren reformiert, im Endeffekt bleibe es aber bei „Reförmchen“, kritisiert die Anwältin Julia Kolda im Interview.
Am 1. März dieses Jahres ist das Maßnahmenvollzugs-Anpassungsgesetz in Kraft getreten, das die Zahl der Einweisungen in die „Maßnahme“ reduzieren soll (siehe Infokasten). Julia Kolda hat unmittelbar danach am Landesgericht in Linz den ersten entsprechenden Fall verhandelt. Im FURCHE-Gespräch beschreibt sie, was sich verändert hat – und warum es noch viel Verbesserungsbedarf gibt.
DIE FURCHE: Frau Kolda, worum ging es in diesem ersten Fall nach der Gesetzesänderung?
Julia Kolda: Es war ein Fall wie aus dem Lehrbuch: Eine ältere Dame mit bekannter schizo-affektiver Vorerkrankung hatte angeblich eine Mitbewohnerin gefährlich bedroht und sie zu einer Handlung genötigt. Sprich, sie wollte sie anscheinend am Verlassen eines Zimmers hindern. Ich sage das bewusst mit einem süffisanten Unterton, denn wie bei den meisten meiner Mandantinnen und Mandanten, hat sie die Situation selbst als gefährlich erlebt. Ihr Gegenüber hatte offensichtlich einen großen scharfen Hund und war ihr möglicherweise nicht wohlgesonnen.
DIE FURCHE: Wie hat sich die neue Gesetzeslage auf diesen Fall ausgewirkt?
Kolda: Nach altem Recht wäre die Dame– unabhängig davon, ob das Delikt tatsächlich stattgefunden hat – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in die Maßnahme eingewiesen worden. Im Zuge der Reform haben sich jedoch die Einweisungsregeln geändert. Nur wenn eine Person mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft tätlich aggressiv wird, führen gefährliche Drohung, Nötigung oder auch der Widerstand gegen die Staatsgewalt zu einer Einweisung. In besagtem Fall, der am 3. März verhandelt wurde, also zwei Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes, gab es keinen Grund zu glauben, dass die Dame in Zukunft gefährlich werden könnte; einerseits aufgrund ihrer biografischen Unbescholtenheit, andererseits, weil sie sich auch während der dreimonatigen Anhaltung auf der forensischen Psychiatrie nichts zuschulden kommen ließ.
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