Judentum - © Foto: picturedesk.com / dpa / Patrick Pleul

Christlich-jüdischer Dialog: „Die Beziehungen sind zerrüttet“

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Die israelische Historikerin Karma Ben-Johanan verfasste nach den Ereignissen des 7. Oktober einen Offenen Brief an den Papst – und erhielt eine bemerkenswerte Antwort.

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Die israelische Historikerin Karma Ben-Johanan verfasste nach den Ereignissen des 7. Oktober einen Offenen Brief an den Papst – und erhielt eine bemerkenswerte Antwort.

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Karma Ben-Johanan gehört zu den angesehensten Expertinnen für den jüdisch-christlichen Dialog. Mit der FURCHE sprach sie über den aktuellen Stand der Beziehungen zwischen Christen- und Judentum, was sich seit dem 7. Oktober geändert hat und darüber, wie sie die Chancen für ein baldiges Kriegsende sieht.

DIE FURCHE: Sie haben im vergangenen Herbst einen Brief an den Papst geschickt, mit der Aufforderung, den Angriff der Hamas klarer zu verurteilen. Warum?

Karma Ben-Johanan: Es war ein gemeinsamer Offener Brief mit 400 anderen jüdischen Personen mit unterschiedlicher Motivation, die alle die Sorge geeint hat, dass die Vorgänge in Israel nicht richtig verstanden werden. Ich für meinen Teil wollte insbesondere unsere Dialogpartner im Vatikan sensibilisieren: Der 7. Oktober hat Juden und Jüdinnen auf der ganzen Welt ins Mark getroffen, selbst diejenigen, die weit weg von Israel leben und vielleicht sogar israelkritisch eingestellt sind. Es war ein Erdbeben für die jüdische Welt.

DIE FURCHE: Im Frühjahr antwortete Franziskus dann auch…

Ben-Johanan: Ja, die Antwort des Papstes war sehr interessant, weil er den Brief an die „jüdischen Brüder und Schwestern in Israel“ richtete. Es ist das erste Mal, dass ein Papst ein Schreiben direkt an die Juden in Israel adressiert hat. Wie es die Art von Franziskus ist, war der Inhalt in sehr direkten, aber auch empathischen Worten gehalten. Gleichzeitig war man im Vatikan offensichtlich bemüht, nicht allzu politische Aussagen zu machen. Was sich aber viele in Israel vonseiten der katholischen Kirche erwartet hätten, wäre eine klarere Verurteilung der Hamas als Terrororganisation gewesen. Das hat der Papst in seinem Brief nicht getan. Dennoch, er hat die Sünde des Antisemitismus und Antijudaismus eindeutig benannt. Das war wichtig.

DIE FURCHE: Hat sich seit dem Kriegsbeginn etwas verändert im Dialog?

Ben-Johanan: Seit dem 7. Oktober sind die jüdisch-christlichen Beziehungen zerrüttet. Der Dialog ist erheblich paralysiert. Während sich das Judentum nie nur als Religion, sondern auch als Volk, Nation und ethnische Gemeinschaft sieht, hat die Kirche es stets als Partner eines Religionsdialogs gesehen. Der 7. Oktober hat in dieser Hinsicht aufgezeigt, wie sehr die Erwartungen an diesem spezifischen Punkt auseinanderliegen. Ebenso hat viele Juden die Art und Weise gekränkt, inwieweit vielerorts, auch von kirchlicher Seite, der Hamas-Terror mit der Antwort Israels gleichgesetzt wurde. Dieser Vergleich wurde von vielen als Verharmlosung des Rechts auf Selbstverteidigung in diesem äußerst komplizierten Krieg empfunden. Sie fühlten sich missverstanden. Die Kluft zwischen den unterschiedlichen Auffassungen über diesen Krieg ist überwältigend.

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