Rote Gefahrenzone für Kinder - Das Rotlichtviertel „Soi Cowboy“ in Bangkok ist ein Hotspot für die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen durch Touristen. Gerade in Thailand konnte aber durch Zusammenarbeit von ECPAT und Behörden die Missbrauchsrate verringert werden. - © iStock/aluxum

Das ferne Verbrechen: Kindesmissbrauch im Urlaub

19451960198020002020

Sexuelle Ausbeutung von Kindern im Tourismus nimmt weltweit zu – nicht nur in Fernost. Aufmerksame Reisende können mithelfen, Minderjährige wirksam zu schützen.

19451960198020002020

Sexuelle Ausbeutung von Kindern im Tourismus nimmt weltweit zu – nicht nur in Fernost. Aufmerksame Reisende können mithelfen, Minderjährige wirksam zu schützen.

Werbung
Werbung
Werbung

Während die Urlaubsreisenden bei der Passkontrolle auf dem Wiener Flughafen gedanklich bereits auf den Stränden dieser Welt ihre Badetücher ausbreiten, zeigen die Bildschirme über den Durchgangsschleusen eine dunkle Seite des internationalen Tourismus. „Nicht wegsehen!“ heißt die Kampagne der Kinderschutzorganisation ECPAT Österreich, die während der Ferienreisezeit auf den Info-Monitoren des Flughafens für ein Thema sensibilisieren soll, das so gar nicht ins Bild von Sommer, Sonne, Strand passt. Weltweit werden Minderjährige durch Reisende sexuell ausgebeutet – Schätzungen gehen von zwei Millionen Betroffenen aus.

Am stärksten gefährdet sind Kinder und Jugendliche in Südostasien, Lateinamerika, Afrika und Osteuropa, letztlich kann die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger aber für kein Reisegebiet ausgeschlossen werden, sagt Kerstin Dohnal, die in der österreichischen Sektion von ECPAT („End Child Prostitution, Pornography and Trafficking“) den Bereich Kinderschutz im Tourismus und Entwicklungszusammenarbeit leitet. „Aufmerksame Reisende können Kinder vor sexueller Ausbeutung schützen“, erklärt Dohnal im FURCHE-Gespräch. „Bei Flug- und Fernreisen sprechen wir oft vom CO₂-Fußabdruck, den wir hinterlassen. Es gibt aber durchaus die Möglichkeit, einen positiven Handabdruck zu hinterlassen, indem wir darauf achten, was in unserer Umgebung passiert – und selbst Verantwortung übernehmen.“

Ausgenutzte Verwundbarkeit

Prostitution basiert bei Kindern nie auf Freiwilligkeit, sie werden vielmehr durch Armut, häusliche Gewalt, falsche Versprechungen, Erpressung oder Drohungen in diesen „Sektor“ hineingedrängt. Täterinnen und Täter nutzen die Verwundbarkeit von Kinder aus. „Wenn ich auf Reisen Kinder spätabends in Bars sehe oder wenn Kinder in Prostitutionsvierteln herumgehen oder wenn ich am Strand mitbekomme, dass ein Erwachsener ein merkwürdiges Verhältnis zu einem Kind hat, das offensichtlich nicht sein eigenes ist, sollte ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen und handeln“, sagt Dohnal.

Damit die sprachliche Barriere zu den örtlichen Behörden im Urlaubsort kein Hindernis darstellt, bietet ECPAT auf der Kampagnenwebsite nicht-wegsehen.at ein deutschsprachiges Formular, das Touristinnen und Touristen bei auffälligen Beobachtungen weltweit online ausfüllen können. Die Meldung gelangt direkt zum Bundeskriminalamt, das sich der Sache annimmt. In fernen Destinationen würden sich Täterinnen und Täter aufgrund von Anonymität häufig in falscher Sicherheit wiegen, sagt Dohnal – und hält dem entgegen: „Sexualstraftaten verjähren nicht und sind weltweit strafbar.“ Kommt es im weiteren Verlauf zu Ermittlungen, kontaktieren die Behörden den Melder oder die Melderin – und man wird im Rahmen unseres Rechtssystems als Zeuge befragt. Zur Angst vor einer Falschmeldung meint Dohnal: „Besser einmal mehr gemeldet und die Einschätzung den Expertinnen und Experten überlassen, als nichts gesagt.“ Dass jemand eine Falschmeldung abgebe, um jemanden anzuschwärzen, komme so gut wie nie vor, denn dafür sei die Meldungseingabe schlicht zu aufwendig.

Informationen zu Missbrauchs-Hotspots

Jede Meldung hilft den Behörden auch, die Hotspots für Sexualstraftaten in touristischen Regionen überall auf der Welt ausfindig zu machen. 80 Prozent aller Täterinnen und Täter, die Kinder im touristischen Bereich sexuell ausbeuten, sind laut Dohnal aber Gelegenheitstäter: „Die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen ist meist nicht das primäre Ziel oder der Zweck einer Reise. Sondern es herrscht Urlaubsstimmung, es ist schön, es ist ein Reiz dabei, und es passiert …“ Auch gewisse Gruppendynamiken können sexuelle Übergriffe befördern. Prinzipiell findet sexuelle Ausbeutung von Kindern aber in jedem Reisekontext statt, auf Urlaubsreisen genauso wie auf Geschäfts- oder Kulturreisen, es passiert in Bordellen oder im Rotlichtviertel genauso wie an Stränden oder in Fünf-Sterne-Hotels.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung