Bachmannpreis 2024 - © Foto: APA/Gerd Eggenberger

Die neue Prozedur der Bachmannpreis-Verleihung ist ein unwürdiges Ende

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Nach einer einer beachtlichen literarischen Leistungsschau und einer Reihe von substanzreichen Jurydiskussionen folgt nun ein Punkteverfahren. Für Daniela Strigl ist die Neuerung ein Schnapsidee.

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Nach einer einer beachtlichen literarischen Leistungsschau und einer Reihe von substanzreichen Jurydiskussionen folgt nun ein Punkteverfahren. Für Daniela Strigl ist die Neuerung ein Schnapsidee.

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Es war letztes Jahr schon ein Trauerspiel (zum Schaden einer der Favoritinnen), dieses Jahr hielten ORF und 3sat eisern an der Schnapsidee fest: Die neue Prozedur der Bachmannpreis-Verleihung setzte einer beachtlichen literarischen Leistungsschau und einer Reihe von substanzreichen Jurydiskussionen ein unwürdiges Ende. Früher wurde reihum in offener Abstimmung votiert, beginnend mit dem Bachmannpreis, bis hinunter zum jeweils kleinsten. Die Jury einigte sich zuvor auf eine Shortlist, die die in der Debatte erfolgreichsten Texte abbildete.

Undurchsichtige Punktevergabe beim Bachmannpreis

Jedes Jurymitglied musste bei der ersten Nennung seine Wahl mit einem Satz begründen. Bei Stimmengleichheit kam es zur Stichwahl, war die erforderliche Mehrheit erreicht, brandete Applaus auf, noch ehe alle abgestimmt hatten. – Die Reform brachte die sinnvolle Regel, dass man zunächst nicht für den „eigenen“ Kandidaten stimmen darf. Aber dass nun am Beginn der Prozedur alle geheim ihre Punkte auf die vier ihrer Meinung nach preiswürdigsten Texte verteilen und dann, ebenso geheim, Stichwahlen vornehmen, bringt das Verfahren um seine Spannung und macht es undurchsichtig.

Der Bachmann-Wettbewerb, einzigartig transparent durch die offene Jurydiskussion, bringt sich so um sein Alleinstellungsmerkmal: Man erfährt nicht mehr, wer für wen stimmt und warum. Taktisches Abstimmungsverhalten wird so nicht unterbunden, sondern begünstigt (siehe 2023), und die angeblich fernsehgerechtere Dramaturgie, die auf den Bachmannpreis als Höhepunkt zusteuert, funktioniert nicht. Die Regie, die an der Corona-Ästhetik der Zoom-Kacheln zu hängen scheint, füllt die Leerläufe mit Interviews über die Lieblingsfarben der Moderatoren, der Notar, selbst vom Ablauf überfordert, stammelt und redet von „sich matchenden“ Kontrahenten. Und die Autorinnen und Autoren, die leer ausgehen, werden nun mit keinem Wort mehr gewürdigt.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin.

Dieser Artikel ist ursprünglich am 4. Juli 2024 mit dem Titel "Fernseh-Ungerechtigkeit" erschienen.

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