Identitätspolitik
DISKURSSafe Space Freibad: Warum Frauen alleine baden wollen
Das persönliche Wohlbefinden im öffentlichen Raum hängt stark von individuellen Erfahrungen ab. „Safe Spaces“ geben Platz, sich zu entfalten – und sich politisch zu positionieren.
Das persönliche Wohlbefinden im öffentlichen Raum hängt stark von individuellen Erfahrungen ab. „Safe Spaces“ geben Platz, sich zu entfalten – und sich politisch zu positionieren.
„Ein Ort, der für weiblich gelesene Personen sicher ist, wie wäre das?“, fragte Madeleine Alizadeh alias dariadaria Ende August ihre rund 330.000 Abonnentinnen und Abonnenten auf Instagram. „Weiblich gelesen“ steht dabei für weiblich wahrgenommene Personen, und nicht irgendein Ort ist gemeint, sondern ein Freibad. Die Unternehmerin und Influencerin veranstaltete im Thermalbad Bad Vöslau am 3. September einen Badetag nur für Frauen. Genauer gesagt wurde ein Teil des Bades abgesperrt und nachmittags nur für FLINTA-Personen (Frauen, Lesben, Inter, Trans, Agender) zugänglich gemacht.
Warum? „Es geht an dem Tag einzig und allein darum, Raum zu schaffen, der uns oft nicht gegeben wird. Schönheitsstandards, Körpernormen und ‚Male Gaze‘ bekommen keinen Zutritt“, schreibt Alizadeh weiter. Das Freibad sei ein Ort, der für viele weiblich wahrgenommene Personen nicht sicher sei. Neben großem Zuspruch auf der einen Seite ließ auch Kritik an der Aktion nicht auf sich warten. Von irritierten User(inne)n auf Social Media bis verstörenden Hassnachrichten an berichtende Redakteurinnen und Diskussionen in zahlreichen Medien – das Thema provozierte.
Die Öffentlichkeit: sicher für alle?
Aber worum geht es eigentlich? Badetage für Frauen sind nicht neu. Allein in Wien haben zwei Bäder einen solchen bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie regelmäßig angeboten: das Simmeringer Bad seit über 30 Jahren, das Amalienbad seit etwa zehn. Neu ist allerdings der Kontext: Sicherheit. Was Madeleine Alizadeh forderte, ist keine grundlegende Geschlechtertrennung oder Abschottung einzelner Bevölkerungsgruppen voneinander. Es ist das Schaffen eines „Safe Space“ für jene, die in der Gesamtöffentlichkeit kein Sicherheitsgefühl haben – aus welchem Grund auch immer.
Im öffentlichen Raum Schwimmbad können das geltende Schönheitsnormen sein oder negative Erfahrungen wie sexuelle Belästigung. Es können kulturell bedingt auch emanzipatorische Herausforderungen sein. Ein Aspekt, mit dem vor allem Tabea Gerstgrasser von den „Wiener Kinderfreunden Aktiv“ konfrontiert ist. Der Verein veranstaltet das Mädchen- und Frauenschwimmen im Amalienbad im Auftrag des zehnten Wiener Gemeindebezirks. „Zu uns kommen vor allem Nichtschwimmerinnen aus sozial benachteiligten Schichten, die einen geschützten Raum suchen, um schwimmen lernen zu können“, erklärt Gerstgrasser. Das bestehende Angebot sei hier bei Weitem nicht ausreichend.
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