Pflegevorsorge: Zwischen Beratung und Betreuung
Mit dem Pilotprojekt „Community Nursing“ soll im Rahmen der Pflegereform die Vorsorge gefördert werden. Eine erste Bilanz fällt positiv aus. Doch die Frage, wie es nach Auslaufen der EU-Förderung weitergeht, bleibt offen.
Mit dem Pilotprojekt „Community Nursing“ soll im Rahmen der Pflegereform die Vorsorge gefördert werden. Eine erste Bilanz fällt positiv aus. Doch die Frage, wie es nach Auslaufen der EU-Förderung weitergeht, bleibt offen.
Sie ist mit dem Fahrrad unterwegs, sportlich gekleidet und hat eine Laptoptasche dabei. Gut gelaunt steigt sie ab und steuert auf eine Türglocke zu. Ihre Mission: einen älteren Herren beraten, dessen Frau unerwartet ins Krankenhaus musste. Sie hilft ihm, einen Heimantrag auszufüllen. So stellt die Mühlviertlerin Claudia Ditto ihre Tätigkeit als community nurse auf der Videoplattform Youtube vor.
Ditto ist eine von 257 Gesundheits- und Krankenpfleger(inne)n, die seit dem Vorjahr in ganz Österreich das Pilotprojekt „Community Nursing“ tragen. Eine community nurse – frei übersetzt „Gemeindekrankenschwester“ – ist keine Pflegekraft an sich, sondern eine Ansprechperson in Fragen rund um Pflege und Betreuung.
Was es international in vielen Ländern bereits gab, geht hierzulande aus der Pflegereform hervor – und soll Versorgungslücken schließen. Bis Ende 2024 fördert die EU die Pilotprojekte an derzeit 113 Standorten mit 54,2 Millionen Euro.
Ein Pfad durch den Dschungel
Die Idee dahinter: vorwiegend ältere Menschen, die in ihren eigenen vier Wänden leben und auch weiterhin dort bleiben wollen, kostenlos zu beraten. Außerdem richtet sich das Angebot an jüngere Menschen mit akutem Pflegebedarf, etwa nach Unfällen. Pflegeorganisationen wie Caritas, Diakonie oder Hilfswerk begrüßen diese Maßnahme grundsätzlich, solange dadurch keine Parallelstrukturen oder konkurrierenden Arbeitsfelder zur vorhandenen mobilen Pflege entstehen.
In Österreich werden rund 80Prozent aller Pflegegeldbezieher(innen) zu Hause von ihren Familien betreut. Gerade in diesen Fällen sind community nurses eine Hilfe bei der Schnittstellen- und Präventionsarbeit. Werden sie angefragt, kommen sie auch in die Haushalte, um die jeweiligen Begebenheiten zu beurteilen und etwaige Unterstützungsmöglichkeiten abzustecken. Dazu gehört es auch, das soziale Netzwerk der Betroffenen und bereits vorhandene Strukturen – von der Nachbarschaftshilfe bis zur Tagesbetreuung – abzuklären. Eine wichtige Begleitung im österreichischen Pflegedschungel.
Die community nurses selbst haben die Möglichkeit, sich auf die Pflege- und Gesundheitsförderung zu konzentrieren, den direkten Kontakt zur Zielgruppe zu pflegen und ein konkretes Programm umzusetzen. Die Klient(inn)en wiederum freuen sich über regelmäßigen Besuch, durch den ein Austausch entstehen kann. Das geht aus den bisherigen Erfahrungsberichten hervor.
Laut türkis-grünem Regierungsprogramm sollen 500 Gemeinden an diesem Pilotprojekt teilnehmen. Bislang wurde dieses Ziel nicht erreicht. Darin eingerechnet sind allerdings nur Modelle, die eine EU-Förderung erhalten. Abseits der Pilotprojekte gibt es zahlreiche weitere regionale Initiativen, die ein ähnliches Konzept verfolgen, aber nicht als „Community Nursing“ geführt werden.
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