Die Hospizkarenz ist beschlossen. Was fehlt, ist die existenzielle Absicherung, ein nationaler Hospizplan - und ein Umdenken im Umgang mit dem Tod.
Die Ampeln waren allseits auf grün gestellt. Beste Voraussetzungen also für die "Hospizkarenz", um von den Nebenschauplätzen endlich ins politische Rampenlicht zu treten und auf der Tagesordnung der St. Wolfganger Regierungsklausur zu erscheinen. Die Folgen sind bekannt: Ab 1. Juli dieses Jahres sollen Arbeitnehmer Rechtsanspruch auf Sterbebegleitung naher Angehöriger erhalten. Drei bis maximal sechs Monate lang können sie sich durch die "Familienhospizkarenz" kündigungsgeschützt sowie kranken- und pensionsversichert um ihre sterbenden Ehegatten, Lebensgefährten, Eltern, Großeltern, Adoptiv- und Pflegeeltern, Geschwister und Kinder kümmern.
Der Beschluss wurde überwiegend mit Wohlwollen quittiert: So begrüßte etwa die Vorsitzende des Dachverbandes "Hospiz Österreich", Hildegard Teuschl, die geplante Einführung dieser neuen Regelung. Freilich sei es nun notwendig, die Angehörigen in den Karenz-Monaten nicht allein zu lassen, sondern sie durch ein Netz von professionellen Helfenden zu unterstützen. Ins selbe Horn stoßen Experten der oberösterreichischen Hospiz-Bewegung und der Alten- und Krankenpastoral, die vor einer Überforderung der Angehörigen warnen: Nichts wäre falscher, als das Angebot zur Sterbebegleitung mit einem Zwang zur Pflege zu verwechseln. Nähe und Zuwendung, nicht Pflege im engeren Sinn soll die Hospizkarenz ermöglichen. Die geänderten Rahmenbedingungen erfordern zudem ein generelles gesellschaftliches Umdenken im Umgang mit dem Thema Sterben und Tod, stellen die Experten fest.
Eine Forderung, der die Caritas Österreich nun mit einer breit angelegten Kampagne nachkommen will: Ziel sei die Erinnerung, dass das Thema jeden betreffe, so die Caritas. Zudem solle jeder ermuntert werden, in Verwandtschaft und Bekanntenkreis seine Rolle in der Sterbebegleitung wahrzunehmen, um seinem Nächsten ein Leben in Würde bis zuletzt zu ermöglichen. "Wir haben zum Thema Hospiz viel erreicht, sind aber noch lange nicht am Ziel", ist Caritas-Präsident Franz Küberl überzeugt.
Bei der Hospizkarenz sei vor allem die Lösung der noch ausstehenden Finanzierungsfragen der Existenzsicherung nötig. Auch an die Forderung nach flächendeckend angebotenen Hospizdiensten wird erinnert. "Das bedeutet nicht nur einen Ausbau der Palliativbetten in den Krankenhäusern", berichtet Küberl aus der Erfahrung der Caritas, die selbst pro Jahr rund 2.000 Menschen betreut. Immerhin würden 80 Prozent der Menschen dort sterben wollen, wo sie gelebt hätten. Um dies möglich zu machen, bedürfe es eines vernetzten Angebots von niedergelassenen Ärzten, Spitälern, mobilen Diensten, Seelsorgern und ehrenamtlichen Mitarbeitern - vor allem aber eines nationalen Hospizplans.
Der Wunschzettel der Hospizbewegung ist lang. Ebenso lang ist freilich die Wunschliste jener, die in Krankenhäusern und Altenheimen Pflegearbeit leisten, wenn eine Betreuung in den eigenen vier Wänden nicht mehr möglich ist. Von Seiten der Pflegeverbände mehren sich die Hinweise auf zunehmende Überforderung (siehe unten). Beklagt werden auch die überhöhten Erwartungen der Angehörigen, die oft erstmals mit dem Tod konfrontiert sind. Ein Befund, den der Wiener Caritasdirektor Michael Landau nur teilen kann: "Wir haben das Sterben allzu sehr ,enthäuslicht' und tabuisiert."
Hospiz-Infotelefon unter 0810/820 880
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