Es mag - vom tagespolitischen Blickwinkel aus - nichts wichtigeres geben als die Frage nach der künftigen Regierung. Leider geht in der Dramatik der politischen Stunde aber Wesentliches unter, das in den letzten Wochen ebenfalls diskutiert wurde. So forderten vor zehn Tagen der Wiener Kardinal Christoph Schönborn und Caritas-Direktor Michael Landau ein parteien- und kirchenübergreifendes "Bündnis für Menschenwürde". Konkret ging es den Kirchenmännern darum, auf das Recht auf Sterbebegleitung für jeden Menschen aufmerksam zu machen.
Letzten Freitag setzte der Ökumenische Rat der Kirchen Österreichs eine Erklärung zum "Menschenwürdigen Sterben" nach. Die Kirchen treten darin für Sterbebegleitung, Hospize und eine Verstärkung der schmerzlindernden medizinischen Versorgung in Österreich ein. Geichzeitig wird klargestellt, daß unnötige Maßnahmen, die das Leben verlängern, abzulehnen sind. Ebenso klar wird aber jedweder aktiver Sterbehilfe, also der Euthanasie, eine Absage erteilt.
Die Diskussion um menschenwürdiges Sterben ist in Österreich dringend notwendig. Fatal wäre, wenn sie aufgrund der tagespolitischen Querelen - wie vergleichbare Diskussionen der letzten Jahre - zu kurz kommt. Die Kosten-Nutzen-Überlegungen, die im Gesundheitssystem bestimmend werden, machen auch vor dem Zeitpunkt des Todes nicht halt. Beispiele aus anderen Ländern - etwa den Niederlanden - zeigen, was passiert, wenn hier die Dämme brechen.
Die - politische - Auseinandersetzung um den Umgang mit dem Tod hat wahrscheinlich mehr mit der Tagespolitik zu tun als es den Anschein hat: Denn jede Regierung wird gut beraten sein, hier Maßnahmen zu setzen. Etwa im Bereich flächendeckender Hospizeinrichtungen, einer Forcierung der Schmerztherapie und gesetzlicher Maßnahmen, um die Grauzonen für ärztliche Entscheidungen zu minimieren.
Um bei der Tagespolitik zu bleiben: Es liegt auch im finanziellen Interesse der Gesellschaft, die vielfältigen Initiativen zur Sterbebegleitung zu unterstützen - als weiterhin ausschließlich mit den extrem teuren Kanonen der Hochtechnologie-Medizin zu schießen, anstatt auf die letzten Bedürfnisse von Menschen einzugehen: auf das Verlangen nach Geborgenheit, Solidarität und einem Mittragen der Angst, die von vielen allzulang verdrängt wurde.
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