Haarausfall, Übelkeit und Erbrechen, aber auch Kopfschmerzen, Fieber und Müdigkeit: Das sind nur einige Nebenwirkungen, mit denen Krebspatienten während einer Strahlen-, Immun- oder Chemotherapie häufig konfrontiert sind. Viele dieser Begleiterscheinungen, die oft die Lebensqualität der Erkrankten erheblich beeinträchtigen, können von der klassischen Schulmedizin nur bedingt gelindert werden. Deshalb vertrauen immer mehr Menschen auch auf alternativ- und komplementär-medizinische Behandlungen. So hat die Deutsche Krebshilfe festgestellt, dass sich mittlerweile 70 Prozent aller Krebserkrankten im Verlauf ihrer Krankheitsgeschichte für pflanzliche Medikamente, Naturheilverfahren oder Homöopathie interessieren. Viele Betroffene wollen im Kampf gegen die schwere Krankheit alle Möglichkeiten ausschöpfen, Selbstinitiative ergreifen, nichts unversucht lassen.
Im Unterschied zur Alternativmedizin werden komplementäre Krebstherapien freilich nie alleine, sondern immer ergänzend zu klinischen Behandlungen angeboten. Die Milderung der Nebenwirkungen "klassischer“ Krebsbehandlungen ist dabei nur eines von vielen Zielen: "Die Komplementärmedizin versucht, die Lebensqualität der Krebspatientinnen zu verbessern, indem sie unter anderem Schmerzen lindert sowie die Rehabilitationsfähigkeit des Körpers erhöht“, erklärt Leo Auerbach, der an der Ambulanz für Komplementäre Medizin der Universitätsfrauenklinik am Wiener AKH vor allem Brustkrebspatientinnen erfolgreich behandelt. "Es geht auch darum, das Immunsystem zu stärken und die Prognose zu verbessern.“ Das Spektrum der angebotenen Methoden ist breit gefächert: Es reicht von der Verabreichung von Enzymen, Vitaminen und Spurenelementen über die Misteltherapie und Akupunktur bis hin zu psychologischer Betreuung, Ernährungsumstellung und Entspannungstechniken wie autogenes Training, Yoga oder Tai-Chi. Ob sich diese Maßnahmen jedoch auf das Wachstum eines Tumors auswirken, konnte mit empirisch-wissenschaftlichen Methoden bislang noch nicht nachgewiesen werden.
Psyche, Energie und Spiritualität im Blickpunkt
Ein wesentliches Kennzeichen aller komplementärer Therapien ist ihr ganzheitliches Menschenbild: "Im Unterschied zur Schulmedizin behandelt die Komplementärmedizin nicht nur ein erkranktes Organ, sondern strebt eine Harmonisierung des ganzen Körpers an“, stellt Auerbach fest. "Man kann das Konzept mit dem Yin und Yang der chinesischen Philosophie vergleichen.“ Das Bild eines Paares, das sich ergänzt, greifen viele Mediziner auf: Die Schulmedizin beschränke sich dabei auf die Erfassung von objektiv messbaren Daten und auf die Behandlung von Symptomen, während die Komplementärmedizin auch individuelle, psychische, energetische und spirituelle Aspekte in den Blick nehme.
Dass Krebs nicht nur den Körper befällt, sondern auch die Seele erschüttert, ist offenkundig. Bis zu 50 Prozent aller Krebskranken leiden an psychischen Befindlichkeitsstörungen, schreibt die deutsche Psychotherapeutin Christa Diegelmann im Buch "Psychoonkologie - Schwerpunkt Brustkrebs“. In der integrativen Krebsbehandlung ist die Psychoonkologie deshalb ein fester Bestandteil. Als relativ neue Form der klinischen Psychologie beschäftigt sie sich mit den psychischen und sozialen Ursachen und Folgen dieser Erkrankung, versucht die Ängste der Patienten zu reduzieren und der sozialen Isolation entgegenzuwirken. Die Bedeutung der komplementären Krebsbehandlung lässt sich mit den Worten von Christian Plaue, ehemaliger Leiter des Referates für Komplementärmedizin der Ärztekammer für Wien, vielleicht am trefflichsten zusammenfassen: "Die komplementäre Medizin ist keine Wundermedizin. Aber sie hilft gerade bei Krebs, das Leben lebenswerter zu machen.“
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