Brooklyn - © Foto: Bettmann Archive/Getty Images

Stadtrundgang mit Paul Auster

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Ein erfreuliches Mittelding zwischen "coffeetable-book" und anspruchsvollem Reiseführer.

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Stadtrundgänge, Kochkurse, historische Exkurse und ähnliche Unternehmungen an der Hand eines Berühmten oder zumindest bei den Bewohnern einer Marktnische Angesehenen sind sehr beliebt. Nun führt uns Paul Auster durch New York. Auster haftet der Ruf eines postmodernen "Pop-Kafka" an. Dem Roman "Mr. Vertigo", seinem neunten oder zehnten, bescheinigten hämische Kritiker multikulturellen Eifer und beste pädagogische Absichten. Auster-Fans lobten auch ihn und verglichen Auster mit Samuel Beckett. Auster engagierte sich - neben Jacques Derrida, Alan Ginsberg, Whoopi Goldberg, Günter Grass, Peter Handke und anderen - für den in Philadelphia unter fragwürdigen Umständen zum Tod verurteilten ehemaligen Black Panther Mumia Abu-Jamal, schrieb das Drehbuch für "Smoke", liebt "Die Blechtrommel", kritisiert Amerika und schilderte im "Land der letzten Dinge" die Megamaschine Stadt im letalen Zustand.

Er hat sich damit aber als Führer durch die Megamaschine New York keineswegs disqualifiziert, liebt er doch "big apple" und vor allem dessen Stadtteil Brooklyn, wo er wohnt. Einer weiteren Ruhmverwertung und dem Erscheinen des Bildbandes "Paul Austers New York" stand also nichts entgegen. Qualifiziert hat er sich für diese zwischen anspruchsvoller Reisevorbereitungslektüre und coffeetable-book angesiedelte Gattung auch durch ein Îuvre, in dem New York keine unwesentliche Rolle spielt. Die Gattung des liebevoll illustrierten, zum auffallend zufälligen Herumliegenlassen im Wohnzimmer bestimmten, als Kaffeetischbuch verleumdeten repräsentativen Bildbandes ist übrigens auch keineswegs so unliebenswert, wie es die bösen Kaffeetischzungen suggerieren. Und "Paul Austers New York" ist, obwohl zweifellos auch ein kleines, aber präsentables Vorzeigebuch, auch noch sehr viel mehr.

Es entstand gemeinsam mit Auster und besticht durch eine raffinierte Kombination von interessant wiedergegebener Stadtatmosphäre, Historischem, Biographischem und durch eine kunstvolle Vermischung der Blickwinkel des Schrifststellers Auster und seiner Figuren, des jungen Auster und des sich langsam dem Fünfziger Nähernden. Dies gibt dem Buch über die angeblich so ganz und gar dem Augenblick hingegebene Stadt eine historische Dimension, und viele Aufnahmen des reizvoll fotografierten Bandes bekommen, zumindest für Austers Leser (deren Zahl ja auch in Europa langsam, aber sicher siebenstellig wird) ihren emotionalen Hintergrund. So die hübsche Tür von East 69th Street Nummer 25, wo Auster nach der Rückkehr aus Paris wohnte und später in der "Stadt aus Glas" eine Frau im schwarzen Kleid, "ihre Lippen waren sehr rot geschminkt", Quinn auf sein Klopfen öffnen ließ.

Wer von New York träumt, wird mit diesem Buch auf dem Nachttisch intensiver und vielleicht auch poetischer träumen; wer demnächst hinfährt, wird Plätze entdecken, die sich ihm sonst entzogen hätten; wer es nach einem Besuch in die Hand bekommt, wird vielleicht die Mentalität bestimmter Bewohner von "big apple" noch besser verstehen.

Paul Austers New York Von Gerard de Constanze (Text) und James Rudnick (Fotos). Aus dem Französischen von Sylvia Strasser, Gerstenberg Verlag, Hildesheim 1998, 168 Seiten, Ln., öS 496,

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