Thorsten Schumm - © Copyright: Foto Wilke

Thorsen Schumm: Treibt Thorium die Atom-Armbanduhr?

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Mobile Atomuhren liegen noch in ferner Zukunft, aber der Weg dorthin wird gegenwärtig in Wien gepflastert: Der Physiker Thorsten Schumm baut eine neue Atomuhr, mit Thorium-229. Der Forscher erhielt heuer den ERC Starting Grant – fast die Hälfte des Preisgeldes von 1,3 Mio. Euro dient der Investition in ein Lasersystem.

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Mobile Atomuhren liegen noch in ferner Zukunft, aber der Weg dorthin wird gegenwärtig in Wien gepflastert: Der Physiker Thorsten Schumm baut eine neue Atomuhr, mit Thorium-229. Der Forscher erhielt heuer den ERC Starting Grant – fast die Hälfte des Preisgeldes von 1,3 Mio. Euro dient der Investition in ein Lasersystem.

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An der Zeit haben sich schon viele kluge Köpfe die Zähne ausgebissen. Bereits der Kirchenvater Augustinus hat auf die Schwierigkeit hingewiesen, diesen intuitiv eigentlich ganz verständlichen Begriff genau zu erklären. Die stets nüchterne Physik hingegen gibt sich damit zufrieden, die Zeit zu messen – und zwar möglichst genau. Seit 1967 ist eine Sekunde definiert als ein etwa neun Milliardstel der Dauer, die ein Elektron des Cäsiumatoms braucht, um von seinem energetischen Grundzustand auf einen höheres Niveau zu springen und wieder zurück. Die Messung erfolgt in sogenannten Atomuhren, die in 40 Millionen Jahren um maximal eine Sekunde aus dem Takt fallen. Damit hängen sie selbst edle Schweizer Luxuschronografen um mehrere Größenordnungen ab.

Atomkern löst Elektronen ab

Dem Physiker Thorsten Schumm vom Atominstitut der Technischen Universität Wien ist das noch nicht genau genug. Er arbeitet daran, eine völlig neue Art von Atomuhr zu entwickeln, die bislang ungekannte Maßstäbe an Präzision bieten soll, eine sogenannte Kernuhr. In herkömmlichen Atomuhren werden Atome, meist Cäsium oder Wasserstoff, unter Vakuum mit Mikrowellen von exakt abgestimmter Frequenz bestrahlt. Dadurch gehen die Elektronen der Atomhülle für kurze Zeit auf ein höheres Energieniveau über. Springen sie zurück in den Grundzustand, geben sie Energie ab, die gemessen werden kann. Solange dieses atomare Gezappel anhält, ist die Bestrahlungsfrequenz richtig gewählt. Kleine Abweichungen werden laufend nachgeregelt. Beim Cäsiumatom beträgt die Frequenz etwa neun Milliarden Schwingungen pro Sekunde (genau: 9 192 631 770). Sie ist die Grundlage für die Definition der Zeit.

Schumms alternativer Ansatz besteht nun darin, nicht Elektronen, sondern Atomkerne selbst anzuregen. Dafür benötigt man normalerweise sehr hohe Energien wie sie sich nur in riesigen Teilchenbeschleunigern, etwa am CERN, erzeugen lassen. Mit einer Ausnahme: Das Isotop Thorium-229 besitzt einen Energieübergang, der sich bereits mit der niedrigen Energie von Laserlicht anregen lässt. „Wir betreiben eine Physik, die man sonst bei viel höheren Energien mit ganz anderen Techniken machen würde“, sagt Schumm.

Suche nach richtiger Wellenlänge

Energieübergänge von Elektronen basieren vor allem auf elektromagnetischen Wechselwirkungen. Im Atomkern wirkt dagegen vornehmlich jene Kraft, die man – in Ermangelung eines besseren Namens – „starke Kernkraft“ nennt. Dieser Brückenschlag zwischen Atomphysik und Kernphysik ist wissenschaftliches Neuland. Erst seit 2007 weiß man, dass es prinzipiell betretbar ist. Damals hat eine Gruppe um Bret Beck vom kalifornischen Lawrence Livermore National Laboratory den Nachweis erbracht, dass sich Thorium optisch anregen lässt. Die gesuchte Wellenlänge des Lasers, bei der die Anregung stattfindet, liegt im ultravioletten Bereich bei etwa 160 Nanometern. Wo ganz genau, weiß allerdings bis dato keiner. Es gilt deshalb, den Bereich penibel abzusuchen, bis die richtige Wellenlänge gefunden ist.

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