Donald Trump - ein Märtyrer, ein Erlöser? - In der Tradition der Vereinigten Staaten als <em>God‘s own country</em> stehend, werden von Trump selbst, aber auch von vielen Kommentatoren alle möglichen religiösen Erklärungen<br />
für das Scheitern des Attentatsversuchs vorgebracht. - © APA / AFP / Rebecca Droke

Trump kaperte Mandelas Faust

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Der Attentatsversuch auf Präsidentschaftskandidat Donald Trump wirbelt nicht nur den US-Wahlkampf durcheinander. Mit dem ikonischen Foto von seiner nach oben gestreckten Faust dreht Trump auch die Symbolwelt um und vereinnahmt das universelle Zeichen gegen Unterdrückung.

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Der Attentatsversuch auf Präsidentschaftskandidat Donald Trump wirbelt nicht nur den US-Wahlkampf durcheinander. Mit dem ikonischen Foto von seiner nach oben gestreckten Faust dreht Trump auch die Symbolwelt um und vereinnahmt das universelle Zeichen gegen Unterdrückung.

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Das millionenfach geteilte Bild von Donalds Trump gen Himmel gestreckter Faust schreibt Geschichte; aber erst ein anderes Foto, das Bild von der nach dem Attentatsversuch leergefegten Rednertribüne mit dem roten Teppich und dem zurückgebliebenen schwarzen Schuh von Trump darauf, ordnet diese Geschichte in die lange Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der zum Symbol gewordenen erhobenen Faust ein – denn der Maßschuh aus feinstem Leder macht den Unterschied deutlich zwischen Trumps geballter Faust in Butler, Pennsylvania und den bis dahin als Zeichen des Widerstands in die Höhe gestreckten Fäusten.

Bis zum Tumult nach den Gewehrschüssen, in dem die Personenschützer den Präsidentschaftskandidaten auf den Boden warfen und dabei aus seinen Schuhen kippten, und bis Trump, wieder aufgerichtet, mit geballter Faust und dem Aufruf an die Menge „Kämpft! Kämpft! Kämpft!“ von der Bühne geschoben wurde, war die Faust das Symbol der Ohnmächtigen, der Schwachen, der Bedrängten und Verfolgten. Am Samstag, 13. Juli 2024, um 18:12 Uhr Ortszeit, hat einer der mächtigsten Männer der Welt dieses Symbol gekapert.

Feindliche Symbolübernahme

In der Geschäftswelt, und Trump ist ein Geschäftsmann, nennt man einen solchen Vorgang „feindliche Übernahme“. Der Kapitalist, der „Klassenfeind“, der rechte Trump übernimmt das älteste und wirkmächtigste Symbol des Protests, des Widerstands, der Linken. „75 Sekunden, nachdem er angeschossen wird, erfasst der Instinktpolitiker Donald Trump die immense Bedeutung dieses Moments“, schreibt der Spiegel und gibt Trump die Bestnote: „Das Bild mit der emporgestreckten Faust ist ein Meisterstück der politischen Kommunikation.“

Alle anderen Kommentare überbieten sich ebenfalls im Lob für Trumps Geistesgegenwart und der Kunst des Fotografen Evan Vucci, der nicht flüchtete, als die Schüsse fielen, nicht einmal in Deckung ging, sondern stehen blieb und fotografierte, oder wie er sagte: „Ich habe einfach meinen Job gemacht.“

Der Berliner Kommunikationsberater und ntv-Kolumnist Hendrik Wieduwilt war einer der ersten, der in seiner Analyse auf die religiösen Konnotationen dieses auf ein Foto gebannten geschichtsträchtigen Moments hingewiesen hat. Wieduwilt vergleicht die Szene mit dem Motiv des Schmerzensmanns, des Märtyrers und Trumps Wiederaufstehen erinnert ihn an eine Erlösergestalt, die durch Gottes Hilfe überlebt zum Wohle Amerikas, „erkennbar am wehenden Sternenbanner im Hintergrund“.

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