Ludwig Adamovich (1932–2024) - Ludwig Adamovich (1932–2024), Präsident des Verfassungsgerichtshofs und Berater zweier Bundespräsidenten. - © APA / Herbert Pfarrhofer

Ludwig Adamovich: Ein Senior und Sir gegen Politik-Kasperliaden

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Der VfGH-Präsident und Berater zweier Bundespräsidenten in Verfassungsfragen ist mit 91 Jahren verstorben – und mit ihm ein Teil des neuen Österreich nach 1945.

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Der VfGH-Präsident und Berater zweier Bundespräsidenten in Verfassungsfragen ist mit 91 Jahren verstorben – und mit ihm ein Teil des neuen Österreich nach 1945.

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Ludwig Adamovich ist als Junior dieses Namens auf die Welt gekommen, Österreichs Welt hat er aber als Senior und als Sir geprägt. Der Junior eines dominanten Vaters zu sein, ist nie leicht; in dessen Fußstapfen als Jurist, als Universitätsprofessor und Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) aber nicht zu verschwinden, sondern diese sogar noch zu weiten, ist Lebenskunst. Ludwig Adamovich, der am Sonntag mit 91 Jahren gestorben ist, hat diese Kunst gelebt.

„Alles in allem wohl nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine gute kindliche Entwicklung“, fasste er in seiner Autobiografie die von einem „religiös fundierten Verständnis von Autorität und Pflicht“ geprägte Erziehung seiner Eltern zusammen. Nicht nur an einer Stelle des Kindheitskapitels dieser „Erinnerungen eines Nonkonformisten“ wundert sich der Leser, wie das der Bub gut überstehen konnte.

Zentral dafür dürfte ein Wesenszug von Adamovich gewesen sein, der ihn auch im Beruf auszeichnete: „An der Gabe der Beobachtung fehlte es mir nicht“, beschrieb er sich als Volksschulkind und nannte als Beispiel die Vorführung eines Kasperltheaters: Ein armer Bauer geriet dabei in die Fänge eines jüdischen Wucherers, dem der Kasperl das Handwerk legte. „Die Unsinnigkeit und Primitivität dieses politischen Theaters war mir sofort bewusst“, schrieb Adamovich über sich als Schüler. Politische Kasperliaden zu durchschauen und sich von ihren Hanswurst-Darstellern nicht einschüchtern zu lassen, beherrschte er Jahrzehnte später auch als VfGH-Präsident. „Wenn man eine ganz konkrete Vorstellung von Gerechtigkeit hat“, erklärte Adamovich sein Amtsverständnis, „muss man zwangsläufig in Konfrontationen eintreten.“

Die heftigste führte er mit Jörg Haider, der am Ortstafel-Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes demonstrieren wollte, dass Recht der Politik folgen müsse und nicht Politik dem Recht, wie das sein Nachnachfolger heute wieder propagiert.

Haider jun. schaffte es auch nie, sich von der Gesinnung seines Seniors, die Österreich 1938 zerstörte, zu distanzieren. Ludwig Adamovich jun. gelang es hingegen sehr wohl, zwischen den hellen und dunklen Seiten des politischen Erbes seines Vaters als Ständestaat-Minister vor 1938 zu differenzieren. Auch dieser Glaube an das neue Österreich machte ihn zum Senior, so wie sein altösterreichisches Wesen zum Sir.

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