6953521-1984_21_05.jpg
Digital In Arbeit

Wo Willkür im Ermessen liegt

Werbung
Werbung
Werbung

Ermöglicht es das Ausländerbeschäftigungsgesetz, daß ein Ausländer, der auch schon längere Zeit in Österreich lebte und gearbeitet hat, von einer legalen Beschäftigung ausgesperrt wird, so liegt es im Ermessen der Fremdenpolizei, ob sich ein Ausländer mit seiner Familie in Österreich — egal ob mit oder ohne Beschäftigung — aufhalten darf.

Ausländische Arbeitnehmer brauchen für ihren Aufenthalt einen Sichtvermerk (Visum). Diese Sichtvermerke werden in Österreich von der Fremdenpolizei ausgestellt. Hat ein ausländischer Arbeitnehmer eine Beschäftigungsbewilligung, so wird ihm ein Sichtvermerk (ein sogenanntes A-Visum) in der Regel für die Dauer dieser Beschäftigungsbewilligung ausgestellt.

Läuft die Beschäftigungsbewilligung aus, und erhält der Arbeitgeber für den ausländischen Arbeitnehmer keine Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung, bzw. wird eine Beschäftigungsbewilligung nicht für einen anderen Arbeitsplatz erteilt, so wird auch das A-Visum von der Fremdenpolizei nicht mehr verlängert.

Wenn nun ein ausländischer Arbeitnehmer, der für eine Arbeit in Österreich eine Beschäftigungsbewilligung braucht, noch in Österreich bleiben will, kann er ein Visum trotzdem noch erhalten, wenn es ihm gelingt, der Fremdenpolizei glaubhaft den Nachweis zu erbringen, daß er trotzdem ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sich den Aufenthalt in Österreich finanzieren kann.

Dies ist etwa der Fall, wenn andere Familienangehörige für seinen Unterhalt aufkommen können. War in der Familie nur ein Alleinverdiener, für den nun die Beschäftigungsbewilligung abgelaufen ist, so droht in der Regel allen Familienangehörigen ein Aufenthaltsverbot, wenn dieser Alleinverdiener keine Beschäftigungsbewilligung mehr hat.

Die Fremdenpolizei hat bezüglich der Beurteilung, ob sich ein Ausländer den Aufenthalt in Österreich leisten kann, bzw. noch weiter leisten wird können, einen großen Ermessensspielraum.

Ein Sichtvermerk bzw. die Verlängerung eines Sichtvermerkes kann von der Fremdenpolizei auf jeden Fall versagt werden, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt „zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte".

Ein anderes Beispiel für den großen Ermessensspielraum, den die Fremdenpolizei im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Fremden in Österreich hat, bezieht sich auf den Familiennachzug. Grundsätzlich können auch Familienangehörige eines ausländischen Arbeitnehmers nach Österreich einreisen, wenn ihr Lebensunterhalt gesichert und eine ortsübliche Unterkunft vorhanden ist. Sie erhalten ein sogenanntes Familienvisum. Aber auch hier gibt es — ab einem bestimmten Alter der Kinder — einen großen Ermessensspielraum für die Fremdenpolizei bezüglich der Erteilung eines Visums für nachkommende bzw. bereits in Österreich lebende Familienangehörige.

Vielen männlichen Jugendlichen, die etwa nach Ableistung des Militärdienstes in ihrer Heimat wieder zu ihren Familien nach Österreich kommen wollen, droht, wenn sie innerhalb von sechs bzw. drei Monaten keine Arbeit finden, bzw. keine Beschäftigungsbewilligung erhalten, ein Aufenthaltsverbot. Wenn für sie kein Arbeitgeber eine Beschäftigungsbewilligung erhält, bekommen sie kein A-Visum- Ein Touristenvisum bzw. Familienvisum wird in diesen Fällen von der Wiener Fremdenpolizei etwa meist nur für ein paar Monate ausgestellt. Dies ist eine unzumutbare Härte besonders in den Fällen, in denen die Jugendlichen ihre Kindheit in Österreich verbracht haben und oft kaum mehr die Sprache ihrer Heimatländer beherrschen.

E,in Ausländer kann aber auch ein Aufenthaltsverbot erhalten und abgeschoben werden, wenn die fremdenpolizeiliche Behörde meint, er gefährde „öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit" — und das kann schon ein leichter Verkehrsunfall sein (Paragraph 3 Fremdenpolizeigesetz).

Zur Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer gleich bis zu zwei Monate in Schubhaft genommen werden: Allein in Wien ist die Zahl der Abschiebungen von Ausländern beträchtlich. Nach einer Auskunft der Wiener Fremdenpolizei vom August 1983 werden in Wien im Durchschnitt wöchentlich zehn bis fünfzehn Ausländer abgeschoben.

Aus der von der AK-Wien herausgegebenen Studie „Probleme ausländischer Arbeitnehmer am Beispiel Wien" von Franz Köppl und Georg Ziniel; Wien 1984.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung