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Digital In Arbeit

Rettung vor Zeitdieben

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Zeitmangel ist selten eine Frage der Zeit, sondern ihrer Einteilung. Organisation allein genügt dazu nicht. Zeitmanagement muß von innen kommen.

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Zeitmangel ist selten eine Frage der Zeit, sondern ihrer Einteilung. Organisation allein genügt dazu nicht. Zeitmanagement muß von innen kommen.

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„Wenn Sie mich fragen, er ist durch den ständigen Wechsel von einer schwierigen Position zur nächsten völlig ausgebrannt.

Schauen Sie sich doch nur einmal seinen Schreibtisch an. Ein Stapel von zwanzig Akten, und die werden nun einer nach dem andern erledigt. Nur das Wesentliche, die Neubesetzung des Produktionschef-Postens, schiebt er seit Monaten hinaus. Wenn Sie mich fragen, in einem halben Jahr ist er weg."

Ein Jobhopper analysiert den Sprung eines andern ins Nichts.

Alltägliches, über das man jedoch im Sinne des von Amerika übernommenen „Keep smiling" im Wirtschaftsleben, kaum spricht.

Verlust der Lust an der Arbeit, der Kreativität und zuletzt der Selbstbestimmung. Wie entsteht er, was verursacht ihn? Oberflächlich betrachtet, ist die Antwort erstaunlich einfach: Mangelnde oder falsche Zeitplanung, das eine bedingt das andere, führt oft zum vielbeklagten ständigen Zeitmangel, zu Streß und schließlich zum gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Zusammenbruch.

Leider ist das Problem keineswegs so simpel, daß man ihm mit Rezepten — Bücherweisheit und Time-Management-Seminaren — beikommen könnte.

„Eineinhalb Jahre lang habe ich eine dieser Stichwortkarteien geführt", berichtete kürzlich ein Personalberater: „Es hat nicht geklappt. Bis mir ein Psychologe gesagt hat: .Klar, du hast kein Vertrauen in dieses System, und das hat ganz persönliche Gründe."

Zeitplanung ist mehr als die Einhaltung eines Ordnungsschemas.

Zeitplanung ist die richtige und ganz persönliche Mischung aus dem, was man gern tut und dem, was man tun muß. Entsteht auf einer dieser Waagschalen ein zu großes Ubergewicht, kann das zu schwerer Frustration führen.

Der Mensch ohne Dauerstreß und Zeitmangel ist jener, der das Gleichgewicht zwischen „Pflicht und Neigung" gefunden hat, wobei man aufhören sollte, das erste mit Arbeit, das zweite mit Freizeit gleichzusetzen.

Viel Intuition, Flexibilität, Mut zum Verzicht und rasches Reagieren gehören dazu, um dieses Gleichgewicht zu finden. Intelligenz spielt dabei eine wichtigere Rolle, als man glaubt, definiert doch der Brockhaus sie als „... die Fähigkeit, konkrete und abstrakte Probleme zu lösen und damit die Bewältigung neuer Anforderungen zu ermöglichen, im reinsten Fall ohne probierendes Verhalten."

Ein stures „Trial and error" ist also zu wenig, es muß schon eine „Management-Philosophie" dahinterstecken. Nicht umsonst besteht der erste Schritt des neuerdings so erfolgreichen „strategischen Managements" in der Festlegung von Unternehmenszielen.

Auf dem Weg zu einer besseren Zeiteinteilung und damit zu einem zufriedeneren Leben steht jedoch eine Vielzahl von Hürden und Hindernissen. Die Zahl der Zeitdiebe ist gerade heute Legion.

Und sie treten durchaus in bunten, interessanten Gewändern auf, die ihr wahres Ziel, dem Menschen seine Zeit zu stehlen, nicht vermuten lassen.

Da gibt es die „Arbeitsgeselligkeit", die mit Seminaren, Exkur-

sionen, Arbeitsessen, Arbeitsfesten, Besichtigungen und Vorträgen nicht nur Politikern ein unerschöpfliches Feld der Zerstreuung bietet.

Was dafür ins Treffen geführt wird, ist durchaus stichhältig. In der Informationsgesellschaft zählt der Informationsvorsprung sehr viel. Er entscheidet über große Investitionen und Arbeitsplätze. Wie soll man ihn erlangen, wenn nicht durch ausgedehnten Informationsaustausch?

Das bedeutet aber deswegen noch lange nicht, daß man diesen nicht bewußt in die Zeitplanung einbeziehen kann und muß.

Die lästigen Zeitdiebe erkennt man zum Unterschied von den angenehmen auf den ersten Blick als das, was sie sind: Bösewichte, die einem schaden wollen.

Der bekannteste unter diesen ist die Bürokratie. Ein Volk, das seinem Staat eine über vierzig-prozentige Gesamtsteuerquote einräumt, gibt diesem beträchtliche Möglichkeiten in die Hand, sein Leben zu beeinflussen. Arbeitgeber wenden laut einer Untersuchung des ÖVP-Wirt-schaftsbundes 11,5 Stunden pro Woche oder 18 Prozent ihrer Arbeitszeit für Väterchen Staat auf.

Zu den strukturbedingten Zeitdieben gehören aber auch solche, deren man sich nicht bewußt ist.

Die Entscheidungsfindung derer, die entscheiden können und müssen, ist heute viel schwieriger geworden. Ursache Nummer eins ist, daß an die Stelle von Autoritäten umständliche Meinungsbildungsprozesse getreten sind. Es muß daher für kleinere Schritte ein größerer Zeitaufwand geleistet werden. Ursache Nummer zwei ist, daß der im Wirtschaftsleben Tätige schon bei der Faktensuche auf Schwierigkeiten stößt. Der Zeitungsberg wird immer umfangreicher, der Schreibtisch Zwischenablagerung für Papierberge, die man bestenfalls durchblättern kann.

Diesem Zeitdilemma ist nur durch Selektion zu begegnen. Der Hinweis „Was, das wissen Sie noch nicht?" oder „Was, das haben Sie noch nicht gelesen?" kann zur Bedrohung der Seelenruhe werden, man kann ihn aber auch einfach abschmettern.

Vor kurzem geriet ein Märchenbuch mit Namen „Die unendliche Geschichte" von einem gewissen

Michael Ende zum Bestseller.

Irrtum, er handelt nicht von Computern, sondern von der Reise eines jungen Helden durchs Land der Phantasie. Kernweisheit des Buches: „Tu, was Du willst!" Dies sollte auch die erste Forderung einer funktionierenden Zeitplanung sein, eine erstaunlich persönliche Forderung, aber auch die wesentliche, die der Mensch den Maschinen immer voraushaben sollte.

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