Klima-Engagement ist Ausdruck des Glaubens

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Ulrich H. J. Körtners Verweis allein auf eine Spiritualität der vergänglichen Schöpfung kann nicht nur zynisch klingen, er ist es auch gegenüber jungen Menschen und dem Globalen Süden. Eine Replik.

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Ulrich H. J. Körtners Verweis allein auf eine Spiritualität der vergänglichen Schöpfung kann nicht nur zynisch klingen, er ist es auch gegenüber jungen Menschen und dem Globalen Süden. Eine Replik.

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Differenziert entfaltete Ulrich Körtner in der letzten FURCHE die schöpfungstheologischen Grundlagen, die einer christlichen Umweltethik und dem Einsatz der Kirchen im Umwelt- und Klimaschutz zugrundeliegen sollten. Ohne Zweifel könnten diese in den öffentlichen Diskursen deutlicher erkennbar sein. Gleichwohl beschleicht einen bei einer situationskontextuellen Lektüre das mulmige Gefühl, dass mit diesem Text viele, die sich aus religiösen Gründen klimapolitisch engagieren oder gar die Anliegen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten unterstützen, eine saftige theologische Rüge erhalten.

Woher nimmt Körtner das so selbstsichere Wissen, dass den klimabewegten Kirchen diese theologischen Grundlagen, die geistliche Grundierung oder gar das Gottvertrauen fehlen und sie theologische Nachhilfestunden benötigen? Wäre ich in diesem Feld politisch aktiv, wäre ich über diese zwar sehr höflichen, subtilen, aber doch ausreichend deutlichen Unterstellungen sehr irritiert – denn zu offenkundig sind die Adressaten.

Kapitalozän, nicht Anthropozän

Warum überlegt sich Körtner nicht zuerst, wie man diese Schöpfungstheologie jenen Menschen nahebringen könnte, die die Hauptverantwortlichen für die Klimakatastrophe sind? Denn „der Mensch“, der den Planeten Erde mit seinem Wahn vom ewigen Wachstum zum Kippen zu bringen droht, „spricht Englisch, Deutsch und Französisch, in letzter Zeit auch etwas Chinesisch“ – wie es der Wirtschafts-, Sozial- und Umwelthistoriker Ernst Langthaler im Standard vom 8. April formuliert. Die Hauptverantwortung für die planetarische Krise liegt für ihn nach wie vor beim Unternehmerkapitalismus des Westens, während die Menschen des Globalen Südens nur minimal zur Erderhitzung beitragen, aber maximal deren Folgen tragen. Wir leben im Kapitalozän, nicht im Anthropozän.

Auch zu solchen Fragen der (Klima-)Gerechtigkeit – ein genuin theologischer Begriff, bezeichnet er doch das Wesen Gottes – wäre einiges zu sagen. Der Verweis allein auf eine Spiritualität der vergänglichen Schöpfung kann in diesem Kontext nicht nur zynisch wirken, er ist es – vor allem in den Ohren junger Menschen oder der Armen im Globalen Süden. Überdies ist der Einsatz der Kirchen für Gerechtigkeit in Klimafragen ein konstitutiv theologisches Anliegen, da die Schöpfung eben nicht nur die Natur, sondern aus biblischer Sicht auch die Geschichte umfasst. Warum kritisiert Körtner nicht zuerst jene – die Erde bedrohenden – wirtschaftlichen und politischen Machtkonzentrationen, sondern die eigenen Leute, die sich in diesem Feld abmühen? Warum fällt sein kritischer Blick überdies nicht auf die allzu vielen religiösen Schwestern und Brüder in unseren Breitengraden, die ein quasi angeborenes Recht auf regelmäßigen Fleischkonsum, Flugreisen, Kreuzfahrten und generell eine ressourcenausbeutende Lebensweise beanspruchen? Diese Zeitgenossen werden sich freuen, wenn sie nun geistlich darauf verweisen können, dass die Schöpfung vergänglich ist – auch wenn der kirchliche Einsatz selbstverständlich „Unterstützung verdient“. Aber die rechte theologische Gesinnung ist eben doch wichtiger als klimapolitisches Engagement.

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