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Basler Fasnacht

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Es ist bemerkenswert, daß es eine Stadt gibt, wo immer noch die alte Fasnacht geradezu kultisch begangen wird, nämlich Basel. A ber die Basler Fasnacht ist nicht nur deshalb eine Art Unikum. Es ist ebenso erstaunlich, daß eine evangelische Stadt, geprägt durch die strengen Moralvorstellungen der reformierten Tradition, die Fasnacht mit einer nahezu religiösen Inbrunst feiert.

Man sieht, nicht einmal der Reformation ist es gelungen, die Fasnacht umzubringen. Da hat den frommen Predigern und Theologen keine noch so deftige Moralpredigt geholfen oder gar der Hinweis, daß all diese Verkleidungen und Maskeraden Überreste des bösen Heidentums seien, die man als aufrechter reformierter Christ mannhaft bekämpfen müsse.

Aber auch der Zeitpunkt der Basler Fasnacht ist eine Besonderheit. Sie beginnt nämlich eine Woche nach dem Faschingsonntag. Warum das so ist, dafür bieten die Volkskundler viele Erklärungen an. In Basel selbst kann man oft hören, das sei so, um die Katholiken zu ärgern: denn die dürfen ja nach dem Aschermittwoch an keiner Lustbarkeit mehr teilnehmen - und so war das reformierte Basel in den Fasnachtstagen unter sich.

Inhaltlich gesehen besteht der calvinistische Hintergrund der Basler Fasnacht auch in einer aktualisierten biblischen Tradition. Diese Tradition kennt nicht nur die Figur des Narren, sondern sieht in der Rolle des Narren eine unverzichtbare Form der Predigt im Sinn der prophetischen Rede.

So hat der Apostel Paulus ganz bewußt an die Korinther geschrieben: „Wenn einer unter euch glaubt, weise zu sein in dieser Welt, so soll er ein Narr werden, damit er dann weise wird. Denn die Weisheit dieser Welt ist Narrheit bei Gott. Denn es steht geschrieben: Der Herr kennt die Gedanken der Weisen, daß sie närrisch sind.“

Also der Pfarrer als Narr - aber wo wird heutzutage so originell gepredigt, wie es Paulus systematisch entwik- kelt hat?Predigen „ä la Paulus, Jesus, Luther, Abraham a Sancta Clara“ würde bedeuten, sich genauso närrisch zu verhalten oder zu reden, um so alle die Narreteien unserer Zeit ad absurdum zu führen. Ein Rezept also, das Sebastian Brant mit seinem ,Jlarrenschiff“ und

Erasmus von Rotterdam mit seinem „Lob der Torheit“ meisterhaft ausgeführt hat.

Und warum wenden die heutigen Prediger diese pau- linische Predigtform nicht an? Könnte es sein, daß ihnen der Mut dazu fehlt? Ja dann wird die von Paulus postulierte ,Jlarrenpredigt im Namen Jesu Christi“ weiter zu den höchst seltenen Ausnahmen gehören.

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