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Glockenklang und Glockenmetalle

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Zweimal in drei Jahrzehnten sind eine Anzahl unserer Kirkenglocken den Zeitereignissen zum Opfer gefallen. Es ist auk heute wieder, wip skon nak 1918, bewundernswert, mit welk opferwilliger Begeisterung allenthalben an die Beskaffung neuer Geläute geskritten wird. Nun sind wir aber heute ein viel ärmeres Land als nak dem ersten Weltkrieg. Von den für die Herstellung klangschöner Glocken nötigen Materialien Kupfer und Zinn, wie sie seit vielen Jahrhunderten zum Glockenguß verwendet werden, fehlte uns die genügende Menge an Zinn. Daher ist es begreiflik, daß man einen Ausweg sukte, und man fand ihn in zinnfreien oder zinnarmen Legierungen. Darüber sind nun vielfak so unriktige Vorstellungen verbreitet, daß es nikt unan- gezeigt ist, die Frage einmal ausführlicher anzuskneiden und klarzustellen.

Der Klang einer Glocke besteht aus einem Gemisk von mehreren Einzeltönen, die in verskiedener Höhe und Lautstärke, mit verschiedener Nachhalldauer erklingen. Die Reihenfolge der Töne und die mehr oder weniger harmoniske Anordnung dieser Töne hängen von dem Profil der Glocke ab, sind also formbedingt, wogegen Tonhöhe, Lautstärke und Nachhalldauer im wesentlichen vom Material abhängig sind.

Man bezeichnet einen Glockenklang als gut, wenn das Klangbild eine möglichst reichhaltige harmoniske Tonreihe ergibt, deren Einzeltöne im richtigen Lautstärkenverhältnis sind und deren Nachhalldauer so lang ist, daß von einem Klöppelansklag zum anderen keine für das Ohr wahrnehmbare Verringerung der Lautstärke der Obertöne eintritt. Die Klangqualität ist also sowohl form- als auch materialbedingt.

Da beim Glockenklang die Bildung des Tons durch das Skwingen des Glockenmetalls entsteht und nicht, wie bei einem Blasinstrument, durch skwingende Luft, ist es klar, daß die Eigenskaften des Metalls von wesentlichem Einfluß auf Tonbildung und Klangfarbe sein müssen. Ein gutes Glockenmetall soll folgende Eigenskaften besitzen: geringe Dämpfung, große Härte, gute Beständigkeit gegen atmosphäriske und interkristalline Korrosion, leichte Gußfähigkeit, hohes spezifiskes Gewicht, große Festigkeit, entsprechende Dehnung.

Die wichtigste Eigenskaft ist eine geringe Dämpfung, damit die durk den Klöppelansklag erregten Skwingungen möglichst ohne innere Reibungsverluste auf die Luft übertragen werden, dadurch lange anhalten und ein reiche Obertonbiidung ermöglichen. Ob ein Metall eine geringe Dämpfung hat, zeigt sik an der Dauer des Nak- halls, dessen Länge also ein wesentliker Gradmesser für die Güte einer Glocke ist.

Selbstverständlich übt auch die richtige Anordnung der Obertöne, wie sie bei einer wohlgeformten Oktaveglocke auftreten, begünstigend auf eine längere Nachhalldauer ein. Ob eine Glocke dem Idealtyp der Oktaveglocke mit reiner Unter- und Oberoktave bei gleicher Tonhöhe des Prim- und Schlagtons oder dem Typ der nicht so harmonisken Sextglocke oder den Typen der wesentlich unharmonischeren Septime- oder Nonglockeą angehört, hängt nur von dem entsprechend richtigen Profil und exakter Formarbeit ab und hat mit dem zum Guß verwendeten Metall nichts zu tun. Es ist also unrichtig, wenn jemand einer „neuen Legierung“, welche er anpreist, die Eigenschaft zusdireibt, daß sie „eine seltene Reinheit der Stimmung der Grund- und Harmonietöne zeigt", weil dies formbedingte und nicht materialbedingte Eigenskaften sind.

Die seit Jahrhunderten erprobte Kupfer- Zinn-Bronze ist bis heute in ihren hervorragenden akustisken Eigenschaften von keiner anderen Legierung erreicht, ge-

skweige denn übertroffen worden. Alle Legierungen, die als Ersatz für die klassisdie Zinnbronze versucht wurden, haben kein so lange Nachalldauer und weder eine so große Härte noch so große Korrosionsbeständigkeit und damit auk keine so lange Lebensdauer. Lediglich der Preis und die Dehnung sind bei den Ersatzlegierungen günstiger. Der Preisunterschied ist in normalen Zeiten so geringfügig, daß er im Hinblick auf den Qualitätsunterskied keinen Anreiz bietet. Die Dehnung ist nicht so wesentlich, da Glocken aus Zinnbronze, welche praktisch keine Dehnung besitzt, totzdem eine jahrhundertelange Lebensdauer aufweisen. Aus diesen Gründen wurden in Österreich, obwohl ik 6kon in den Jahren 1930 bis 1933 Versuche mit den ver- skiedenstcn Legierungen auf der Basis Kupfer-Zink-Zinn und Kupfer-Zink-Siliziuin sowie den verskiedenen Rübelbronzen gemacht hatte, keine Glockenlieferungen in diesen Metallen getätigt. Erst in der ersten Nachkriegszeit, als die Zinnbeskaffung praktisk unmöglich geworden war, wurde die Erzeugung von Glocken in Kupfer- Zink-Silizium-Legierung aufgenommen. Diese Legierung hatte bei den Versuken die besten akustisdien Werte unter den oben angeführten Versuchslegierungen ergeben und war auch in größeren Mengen erhält- lik; sie wird seit 1946 in größerem Ausmaß verwendet.

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