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Burschenschaftler und Wirtschaftsbosse als Universitätsräte - ein Signal für den Aufbruch der Unis? Zwei künftige Uniräte - Manfred Jochum (Uni Klagenfurt) und Johannes Strohmayer (Medizinuni Wien) - im Gespräch.

Die Furche: Die Bestellung der Universitätsräte durch die Regierung hat für Aufsehen gesorgt: Vor allem die geistige Beheimatung mancher Personen im deutschnationalen Lager wurde kritisiert. So hat Verwaltungsgerichtshofs-Präsident Jabloner gemeint, die Unis wären auf dem Weg, ein "Hort der Reaktion" zu werden. Wie glücklich sind Sie über diese Bestellungen?

Manfred Jochum: Erstens bin ich froh, dass ich von der Universität Klagenfurt bestellt worden bin und nicht von der Regierung. Zweitens kenne ich diese Personen nicht so genau, dass ich mir ein Urteil anmaße. Was man allerdings aus gut unterrichteten Kreisen hört, ist bedenklich. Ob dadurch die Aussage des Herrn Präsidenten Jabloner stimmt, kann ich noch nicht beurteilen. Ich werde jedenfalls alles in meiner Macht Stehende tun, um dafür zu sorgen, dass dieser Zustand nicht eintritt.

Johannes Strohmayer: Auch ich bin von der medizinischen Fakultät bestellt worden und habe deshalb keinen Zugang, was sich die Regierung gedacht hat. Natürlich werden die von ihr bestellten Uniräte auch ein Spiegel der Regierung sein. An meiner Universität sehe ich hier aber kein Problem: Auf uns kommt so viel Sacharbeit zu, da ist kein Platz für ideologische Kämpfe.

Die Furche: Diese Sacharbeit an den Unis werden Spitzenmanager wie Hannes Androsch, Boris Nemsic oder eben Johannes Strohmayer leisten müssen...

Jochum: Dazu möchte ich eine kleine Episode erzählen: Ich war im Beirat der Wiener Universität, der vor allem durch seine hochkarätige Besetzung mit Leuten aus Politik und Wirtschaft gekennzeichnet war. Doch auf Grund dieser Besetzung war der Beirat oft gar nicht beschlussfähig, weil sich diese Herrschaften nicht Zeit genommen haben, zu kommen. Wenn es uns wieder passiert, dass diese "Kapazunder" keine Zeit haben, wird es schwierig.

Strohmayer: Ich sitze selbst in einigen Aufsichtsräten und sehe hier kein Problem: Das ist einfach eine Frage der Prioritätensetzung.

Die Furche: Wie viel wirtschaftlicher Einfluss auf die Universitäten ist Ihrer Meinung nach "gesund"?

Jochum: Es wäre unsinnig, wenn sich die Universitäten vom realen Wirtschaftsleben abkoppeln würden. Wenn sie aber zum Büttel wirtschaftlicher Interessen würden, wäre das auch eine Katastrophe. Diese beiden Extreme will niemand. Eine Universität ist keine Schraubenfabrik, aber sie ist ein Unternehmen, das einen Zweck hat, nämlich Leute hervorragend auszubilden und zu bilden. Bildung durch Wissenschaft ist die Aufgabe der Universität. Aber natürlich müssen ihre Absolventen auch etwas können, was der Realität des täglichen Lebens entspricht.

Strohmayer: Es ist richtig, dass die Universität einen Mittelweg finden muss. Aber sie muss auch eine leistungsbezogene Komponente haben. Die Unis bewegen sich heute auf einem internationalen Bildungs- und Wissenschaftsmarkt: Wir konkurrieren mit Harvard oder dem Massachusetts Institute of Technology. Zudem hat die Wissenschaft nicht nur einen Wert an sich, sondern auch volkswirtschaftlichen Nutzen - wenn man an die Genomforschung oder Chiptechnologie denkt. Daher macht es Sinn, dass ein Wirtschaftsexperte im Unirat sitzt.

Die Furche: Ist es aber legitim, unsere autonomen Universitäten mit schrumpfenden Budgets in den Wettbewerb mit tatsächlichen Weltklasseunis wie Harvard zu schicken?

Jochum: Man soll nicht so tun, wie wenn die armen Universitäten in die Autonomie gestoßen worden wären wie weggelegte Kinder. Jahrzehntelang haben sie mehr Autonomie verlangt und nun fürchtet man sich vor der eigenen Courage. Natürlich muss die ökonomische Grundlage gegeben sein, aber die Unis sind auch gefordert, ihre Fantasie spielen zu lassen. Sie können Gesellschaften gründen, um ihr Know-how zu vermarkten. Natürlich wird sich eine technische Universität dabei leichter tun als die Uni Klagenfurt, aber auch hier soll diese Möglichkeit bestehen.

Strohmayer: Es kann nicht sein, dass Wissenschaftler von Konzernen eingeladen werden, dort ihr Wissen verschenken und am Ende der Konzern das Geschäft macht. Daher gibt es in den USA Spin-Offs von Universitäten, wo sich Spitzenforscher selbstständig machen. Insgesamt fehlt bei uns zur Weltklasse noch einiges: Wir haben noch nicht einmal an ein Universitätsranking gedacht.

Jochum: Internationale Rankings gibt es schon, etwa ein EU-internes Papier - wo die österreichischen Unis ganz hinten vorkommen. Wenn ein solches Ranking nach ganz strengen Kriterien angelegt wird - etwa wie der Technologie-Index der UNO -, dann wäre es auf jeden Fall hilfreich, um Schwachstellen aufzudecken.

Die Furche: Auch der Wettbewerb zwischen den heimischen Unis soll verstärkt werden. Während der Regierungsbildung hat man sogar kurz daran gedacht, ihn durch die Freigabe der Studiengebühren anzukurbeln...

Strohmayer: Ich bin grundsätzlich für Studiengebühren, wenn sie sozial abgefedert sind, weil damit das Bewusstsein geschaffen wird, dass Lehre teuer ist. Aber zu sagen, die Medizinuni in Wien ist besser als die in Innsbruck, deshalb kostet sie mehr, halte ich für einen Schwachsinn.

Jochum: Ich habe die Einführung von Studiengebühren immer bedauert: Sie bringen den Unis nichts - dazu sind sie zu niedrig -, und denen, die nicht so begütert sind, tun sie trotzdem weh. Über die Höhe der Studiengebühren kann man fein steuern: Dann bin ich alle Leute los, die sich das nicht leisten können. Das ist das Perfideste!

Strohmayer: Die Studiengebühren sind jedenfalls für die Unis eine massive Herausforderung, denn die Studierenden dürfen sich jetzt mehr Service erwarten. Dann schaut es ganz schlecht aus, wenn man bei einer Prüfung in der Wiener Stadthalle sitzen muss ...

Die Furche: Ein hartnäckiges Problem an den Unis ist auch der geringe Frauenanteil in Führungspositionen...

Strohmayer: Was das betrifft, bin ich militant: Man muss zwingende Quoten einführen. In der Übergangsphase würde ich sogar Qualitätsabstriche machen, um einer Frau den Vorzug zu geben. Ich habe mir das für den Wirtschaftsbereich ausgerechnet: Wenn das so weitergeht, werden Frauen in genau 677 Jahren gleich viel verdienen wie Männer.

Jochum: Wenn man Qualitätsabstriche macht, hilft das den Frauen nicht: Dann würde es nur heißen, dass sie den Job wegen ihres Frauseins bekommen. Man sollte sich aber einmal darauf verlassen können, dass bei Ausschreibungen wirklich nach der Qualifikation besetzt wird - dann wären viel mehr Frauen in Führungspositionen. Eine zwingende Quote widerstrebt meinen Vorstellungen einer liberalen Gesellschaft.

Strohmayer: Natürlich ist das ein Widerspruch, aber wenn die Frauenquote auf minus 10 steht, bringe ich sie mit einem ach so liberalen Weltbild nicht auf Null. 677 Jahre sind mir einfach zu lange, darum brauchen wir eine zwingende Norm.

Jochum: Ich werde für die Wahl des siebten Mitglieds meines Unirates eine Frau vorschlagen - nicht, weil das schick wäre, sondern weil ich sie einfach für die beste halte. Man wird sehen, ob es gelingt.

Das Gespräch moderierte Doris Helmberger.

Universitätsrat

Der Unirat besteht aus fünf, sieben oder neun Mitgliedern, wobei zwei, drei oder vier vom Gründungskonvent der jeweiligen Uni gewählt und ebenso viele von der Regierung bestimmt werden. Diese Personen wählen bis 31. März ein weiteres Mitglied. Insgesamt werden an den 21 heimischen Unis 139 Ratsmitglieder bestellt. Sie wählen u. a. den Rektor aus einem Dreiervorschlag des Senats, genehmigen den Entwicklungsplan und die Leistungsvereinbarung mit dem Ministerium.

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