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Die Privatwirtschaft will den Gesundheitsmarkt erobern, wogegen die 23 Gesundheitsberufe neuerdings geschlossen auftreten.

"Gesundheit ist keine Ware, die man kaufen oder mit der man Gewinn erzielen kann. Sie darf nicht Gegenstand unternehmerischer Interessen werden“, lautet das Credo von Ärztekammer-Präsident Walter Dorner. Das Gegenteil sagt Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer Österreich: "Was unser Gesundheitssystem braucht, ist ein kompetitiver Markt und stärkerer Wettbewerb.“

Ärztekammer (ÖÄK) und Wirtschaftskammer (WKÖ) sind die exponiertesten Vertreter in einer Expertendiskussion, die seit Jahren leidenschaftlich geführt wird. Salopp ausgedrückt geht es um die Frage: Wem gehört die Medizin? Jenen, die mit medizinischen Leistungen Geld verdienen wollen oder jenen, die auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse konkrete medizinische Leistungen erbringen; den Unternehmen, für die Profit oberstes Ziel ist, oder Ärzten und anderen Gesundheitsberufen, in deren Selbstverständnis der Patient an erster Stelle steht? Letztlich lautet die Frage: Soll der Mensch oder das Geld im Mittelpunkt stehen?

"Megatrend“

Freilich gehe es auch der WKÖ um den Menschen. Gleitsmann etwa wünscht sich ein "Gesundheitssystem, in dem Versicherte und Patienten in den Mittelpunkt rücken“. "Nur eine gesunde Gesundheitswirtschaft kann nachhaltigen Nutzen für die Patienten stiften“, bekräftigt Julian Hadschieff, Sprecher der Plattform Gesundheitswirtschaft. Dieser von der WKÖ initiierte Thinktank will Österreich "für den Megatrend Gesundheit fit“ machen. Mehr Markt und mehr Wettbewerb erhöhten die Qualität und förderten Innovationen, so das Motto. Jetzt hingegen seien Privatunternehmen benachteiligt: "Private Gesundheitsanbieter bekommen für dieselbe Leistung weniger Geld als Einrichtungen der öffentlichen Hand“, beklagt Hadschieff.

Der Gesundheitsmarkt ist riesig: 2008 machte er mit 34,7 Milliarden Euro rund zwölf Prozent des Inlandsproduktes aus. Die Plattform schätzt, dass diese Summe bis 2020 auf 67,8 Milliarden Euro steigt. Vor allem private Gesundheitsausgaben wachsen rasant: seit 2002 jährlich um durchschnittlich 4,7 Prozent. "Gesundheit ist ein Zukunftsmarkt“, schreibt die Plattform in einer Broschüre und verspricht "attraktive Geschäftsfelder“: "Patienten werden gesundheitsbewusste Konsumenten.“

Kranke Menschen sind keine Kunden“, hält ÖÄK-Präsident Dorner dagegen: "Eine Patientenbeziehung geht über eine Geschäftsbeziehung hinaus.“ Mittlerweile spricht er für 23 in der Gesundheitsberufekonferenz vertretene Professionen, von den Krankenpflegern und den Psychologen bis hin zu den Apothekern und den Medizinern. "Öffentliche Gesundheitsdienstleistungen folgen keinen marktwirtschaftlichen Mechanismen“, lautet ein gemeinsamer Grundsatz der neuen Einrichtung, welche die in Österreich gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe versammelt, die sich gegen "zunehmende Ökonomisierungstendenzen“ wehren.

"Wo bei den anerkannten Gesundheitsberufen die Wissenschaftlichkeit, die Fachausrichtung und vor allem die Patienten im Mittelpunkt stehen, geht es bei den gewerblichen Berufen zunächst einmal um die Ökonomie“, meint Dorner. Die Wirtschaft verfolge eine Doppelstrategie, erläutert der Ärztevertreter: "Einerseits beabsichtigt sie, in den durch die sozialen Krankenkassen finanzierten Bereich einzudringen. Andererseits will sie das soziale Gesundheitswesen vom Leistungsspektrum her auf ein Minimum herunterfahren, um den privaten Sektor auszubauen, an dem die Gesundheitsunternehmer und die privaten Krankenversicherungen verdienen können.“

Karriere mit Gesundheitslehre?

Eine weitere mögliche Form der Ökonomisierung ist die Umwandlung von Gesundheitsberufen in Lehrberufe. Wenn nämlich ein Beruf über eine Lehre erlernt wird, fällt er in die Zuständigkeit der WKÖ und des Wirtschaftsministeriums. Diese immer wieder, zuletzt vom BZÖ, geforderte Maßnahme lehnt die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes, Ursula Frohner, ab. "Die gesetzlich verankerten Gesundheitsberufe sind durch ein eigenes Berufsgesetz geregelt, in dem etwa die Verschwiegenheitspflicht oder ethische Grundregeln festgeschrieben sind. Ein Lehrberuf hingegen unterliegt nur noch der Gewerbeordnung.“

Ein anderer Beruf droht ganz abgeschafft zu werden: "Unsere Berufsgruppe soll zu reinen Hilfskräften degradiert oder überhaupt aufgelöst werden“, klagt Angela Meister, Präsidentin des Verbandes der diplomierten medizinischen Fachkräfte. Bislang dauert die Ausbildung der Allroundkräfte für die tägliche Routine des Krankenhauses, die vor allem im Labor, im Röntgen und der Physikalischen Medizin tätig sind, 30 Monate. Nun ist ein Gesetz in Arbeit, demnach die Ausbildung weniger als ein Jahr dauern soll. "Hand in Hand mit der geringeren Qualifikation geht eine schlechtere Entlohnung“, erklärt Meister. Entprofessionalisierung wird dieser Prozess genannt, bei dem die Ausbildung von Berufsgruppen aus Kostengründen bewusst heruntergeschraubt wird. Eine geringere Qualifikation habe zwei Effekte, erläutert Günter Flemmich von der Wiener Arbeiterkammer: "Weniger qualifizierte Arbeitskräfte erhalten eine geringere Bezahlung und werden an bestimmte Institutionen gebunden.“

Auch ÖAK-Präsident Dorner kritisiert die "grassierende Entprofessionalisierung“: "Schlechtere Qualifikation und fehlende Berufspflichten wie die Verschwiegenheitspflicht gehen zulasten der Patienten.“

Schlussendlich scheinen die Wirtschaft und die Gesundheitsberufe unterschiedliche ethische Grundsätze zu haben. Dass ein Unternehmen den eigenen Erfolg im Auge habe, sei legitim, sagt ÖÄK-Vizepräsident Artur Wechselberger. "Ein Arzt aber hat das Leben und die Gesundheit des Patienten als primäres Ziel zu sehen, und nicht den ökonomischen Erfolg des eigenen Unternehmens“, weiß der Innsbrucker Arzt, der als niedergelassener Allgemeinmediziner selbst Unternehmer ist. Auch die Wirtschaftsvertreter sprechen von ethischem Handeln, meinen aber offenbar etwas anderes. So erklärte einmal Heinz Lohmann, Veranstalter des jährlichen Wiener Gesundheitswirtschaftskongresses: "Unwirtschaftlichkeit ist unethisch.“

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