Tag der Putzfrauen: Die unsichtbaren Reinigungskräfte
Reinigungsarbeit ist unverzichtbar und dennoch wenig wertgeschätzt. Die Branche hat ein strukturelles Problem, erklärt die Soziologin Karin Sardadvar anlässlich des Internationalen Tages der Putzfrauen.
Reinigungsarbeit ist unverzichtbar und dennoch wenig wertgeschätzt. Die Branche hat ein strukturelles Problem, erklärt die Soziologin Karin Sardadvar anlässlich des Internationalen Tages der Putzfrauen.
Durch die Pandemie ist die Bedeutung von Reinigungsarbeit stärker in das gesellschaftliche Blickfeld geraten, und auch der internationale Aktionstag am 8. November soll Aufmerksamkeit dafür schaffen. Im Alltag von Reinigungskräften hat sich dennoch wenig geändert. Sie verrichten ihre Arbeit vielfach weiterhin an den Tagesrandzeiten – mit schwerwiegenden Folgen, erklärt die Soziologin Karin Sardadvar.
DIE FURCHE: Die Reinigungsbranche ist in Österreich ein großes und wachsendes Gewerbe, in dem rund 76.000 Menschen – inklusive Hausmeister(innen) – arbeiten. Sie ist zwar kollektivvertraglich geregelt, weist aber dennoch prekäre Arbeitsverhältnisse auf. Wie drückt sich das aus?
Karin Sardadvar: Es stimmt, es gibt einen Kollektivvertrag, der wichtig ist und die Bedingungen in der Branche klar regelt. Nichtsdestotrotz sprechen wir hier von einem Niedriglohn. In der Reinigungsbranche arbeiten zudem verglichen mit anderen systemrelevanten Branchen besonders viele Mitarbeiter(innen) in unfreiwillig kurzer Teilzeit. Das heißt, aus einem Niedriglohn wird ein kaum existenzsichernder Teilzeitniedriglohn, was in weiterer Folge zu einer schlechten Pension führt. Ein weiterer Aspekt des Prekariats zeigt sich in den geteilten Arbeitszeiten.
DIE FURCHE: Die Arbeit von Reinigungskräften findet zu den Tagesrandzeiten statt. Wie wirkt sich das auf Betroffene aus?
Sardadvar: In der Unterhaltsreinigung (Reinigungsarbeiten, die in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt werden, Anm. d. Red.), der Büroreinigung in Firmen beispielsweise, werden die Arbeiten gewöhnlich außerhalb der Geschäftszeiten verrichtet. Im geteilten Dienst arbeitet jemand dann zum Beispiel von sechs bis neun Uhr morgens und abends ab 16, 17 Uhr bis 20, 21 Uhr. Die betroffenen Arbeitnehmerinnen haben dazwischen ein paar Stunden Freizeit, aber der ganze Tag ist durch die Erwerbsarbeit strukturiert und lässt wenig Spielraum. Hinzu kommen vier Dienstwege, die zurückgelegt werden müssen. Solche Bedingungen machen es schwierig, ein zufriedenstellendes Sozial- und Familienleben zu führen.
DIE FURCHE: Was können wir als Gesellschaft tun, um gegenzusteuern?
Sardadvar: Wer heute in einem Büro arbeitet, merkt zwar, dass sauber gemacht wurde. Doch so wie diese Arbeit derzeit organisiert ist, hat kaum jemand ein Bewusstsein dafür, wer das überhaupt gemacht hat. Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Reinigungsarbeit im Verborgenen stattfindet. Es wäre wichtig, gesamtgesellschaftlich ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass es, so wie es derzeit ist, nicht gut ist. Die Lebensqualität für die Beschäftigten könnte mit der Tagesreinigung ganz einfach verbessert werden.
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