"Wir wollen im ethisch diskussionsfreien Raum bleiben", meinten der Wiener Genetiker Markus Hengstschläger und der Reproduktionsmediziner Wilfried Feichtinger, als sie vergangene Woche vor die Presse schritten. Erstmals in Österreich hätten sie im Rahmen einer künstlichen Befruchtung eine genetische Untersuchung der befruchteten Eizelle vor der Implantation in die Gebärmutter (Prä-Implantations-Diagnostik) durchgeführt.
Von einer Grenzüberschreitung könne freilich keine Rede sein, erklärten die beiden: Schließlich hätten sie keinen Embryo im Achtzellstadium auf seine genetische Vollkommenheit geprüft (was in Österreich laut Fortpflanzungsmedizingesetz indirekt verboten ist), sondern nur die beiden Polkörper der befruchteten Eizelle inspiziert. Durch die Analyse dieser genetischen "Abfalleimer", die schon vor dem Abschluss der Befruchtung entstehen, könnte man nicht lebensfähige Embryonen aussondern (was in Österreich erlaubt ist). Ziel ist, die Erfolgschance bei künstlichen Befruchtungen von 20 Prozent zu erhöhen. Im Interesse der Frau.
So groß das Bemühen der beiden Forscher um Redlichkeit ist - "im ethisch diskussionsfreien Raum" sind sie sicher nicht: So bezweifeln Experten wie die Berliner Medizinethikerin Sigrid Graumann die Möglichkeit, bei der Polkörperanalyse nur nach "Lebensfähigkeit" und nicht zugleich auch nach Trisomie 21 (Down-Syndrom) zu fahnden. "Das wäre eine systematische Qualitätskontrolle aller Kinder", ist sie überzeugt. Außerdem sei in Ländern, in denen diese Methode praktiziert wurde, die Erfolgsrate bei künstlichen Befruchtungen keineswegs gestiegen - wohl aber der Profit der Reproduktionsinstitute.
Bedenken wie diese sind von Fortpflanzungsmedizinern ernst zu nehmen. Wenn sie nur von "diskussionsfreien Räumen" träumen, betreiben sie am Ende Selektion durch die Hintertür.
doris.helmberger@furche.at
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