"Fußball ist inszenierte Männlichkeit"
Fußball: Ein Sport, der Woche für Woche Hunderttausende in Europas Stadien lockt, im Fernsehen Rekordeinschaltquoten und Riesenwerbeeinnahmen sichert. Was macht diese Sportart so attraktiv? Die furche im Gespräch mit einem Sozialforscher, der dieser Frage nachgegangen ist.
Fußball: Ein Sport, der Woche für Woche Hunderttausende in Europas Stadien lockt, im Fernsehen Rekordeinschaltquoten und Riesenwerbeeinnahmen sichert. Was macht diese Sportart so attraktiv? Die furche im Gespräch mit einem Sozialforscher, der dieser Frage nachgegangen ist.
DIE FURCHE: Entgegen allen Unkenrufen, die dem Fußball seinen baldigen Niedergang als Folge seiner Kommerzialisierung prophezeit haben, ist das Zuschauerinteresse gewachsen. Fußballspiele im Fernsehen ziehen heute sogar mehr Zuschauer an als je zuvor. Was ist der Grund für diese Fußballrenaissance?
Roman Horak: Hier müssen wir zwei Dinge sehen. Heute sind Fußballspiele auf der einen Seite große Medienereignisse. Direktübertragungen von Begegnungen der Champions League, der deutschen oder auch der österreichischen Bundesliga bringen hohe und sichere Zuschauerquoten. So lebt beispielsweise "Sat 1" mit der Sendung "ran" von der deutschen Bundesliga. Hier wird mit viel Aufwand im Studio Fußball perfekt als Show inszeniert. Wesentlicher ist meiner Ansicht nach aber der Charakter des Spieles. Es ist von seiner Struktur her vormodern. Fußball ist ein relativ wenig verregeltes Spiel. Anders als im Eishockey oder Basketball, wo die Überwachung viel umfassender ausgeübt wird, kann man im Fußball relativ leicht betrügen. Bemerken der Schiedsrichter und seine Assistenten einen Regelverstoß nicht, was häufig vorkommt, geschieht nichts. Viele versteckte Fouls bleiben daher ungeahndet, Tore werden auf regelwidrige Weise erzielt, gelten aber trotzdem. Insofern ist Fußball vollkommen ungerecht, der Verlauf eines Spieles ist nicht einmal in Ansätzen vorhersehbar. Es ist immer alles möglich. Zufall, Pech, Glück spielen oft eine entscheidende Rolle, und man kann nichts dagegen machen. Insofern gleicht Fußball dem Leben. Wegen seines menschlichen Charakters wird es jetzt auch außerhalb von Europa und Südamerika immer beliebter. Gerade sein Fatalismus lässt das Spiel so interessant werden. Wenn das Fußballspiel diesen wenig reglementierten Charakter einmal verliert, wenn es also gerechter würde, dann wird das einen drastischen Einbruch des Interesses nach sich ziehen.
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