Thema: Schöpfungsglaube Am Anfang das Staunen

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Nein, ich will hier nicht die fünfhundertsiebenundneunzigste Debatte über "Kreationismus oder Evolution" lostreten. Ich will einfach herausfinden, was ich empfinde, wenn ich diese Worte sage: "Ich glaube an Gott, den Schöpfer."

Je älter ich werde, desto lieber mag ich den (leicht abgewandelten) ersten Satz des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. An einen Mann, der im Garten sitzt und Tiere herstellt, denke ich dabei weniger. Obwohl ich auch den ziemlich poetisch finde. Ich denke eher an Sätze wie diese:

Mein Herz ist bereit, Gott,

Ich will singen und spielen.

Auf, meine Seele!

Wacht auf, Harfe und Leier,

Ich will das Morgenrot wecken,

ich will dich preisen, ...

denn groß,

über den Himmel hinaus,

ist deine Güte. (Ps 108, 2-5)

Man hat uns beigebracht, das Staunen sei der Anfang der Philosophie. Nur der Philosophie? Ist das Staunen nicht der Anfang von Moral und Religion, der Anfang jeder sinnvollen menschlichen Existenz?

Ich staune über die Schneeflocken und den Teilchenbeschleuniger, über meine Mailbox und das erste Lied der Amsel im Vorfrühling, über die Wasserleitung und die Fähigkeit des Klempners, sie für mich zu reparieren. Ich staune so sehr, dass alle Gewalt sich zur Ruhe legt.

Einmal kam, es war im Sommer 2008 auf der Hallig Hooge, ein ungefähr sechsjähriger Knirps an unseren Tisch im Café. Die Augen leuchteten, er musste etwas loswerden. Er musste seine Entdeckung diesen fremden Leuten da am Tisch mitteilen: "Es gibt ganz viel, auch wenn man es nicht weiß."

Ja, mit diesem Satz könnte meine Schöpfungstheologie anfangen. Sie wäre ein Lobgesang auf all das, was ich nicht selbst machen kann und was täglich neu von dort kommt, wo mein Verstehen nicht hinreicht.

Die Autorin ist Germanistin und evangelische Theologin. Sie lebt als freie Autorin in der Ostschweiz.

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