Sir-Karl-Popper-Schule: Reifungsjahre für Talente
40.000 Maturantinnen und Maturanten beenden dieser Tage ihre Schullaufbahn. Doch wurden ihre Begabungs-Schätze auch gehoben? Die Sir-Karl-Popper-Schule in Wien macht vor, wie Begabtenförderung gelingen kann.
40.000 Maturantinnen und Maturanten beenden dieser Tage ihre Schullaufbahn. Doch wurden ihre Begabungs-Schätze auch gehoben? Die Sir-Karl-Popper-Schule in Wien macht vor, wie Begabtenförderung gelingen kann.
Ansonsten wird gern nachgehakt. Doch nach dem Auftritt von Ulrike Zenz bleibt keine Frage offen. "Anorganische kristalline Fluoreszenzfarbstoffe" lautet der Titel der Fachbereichsarbeit, die sie im Rahmen ihrer mündlichen Chemie-Matura präsentiert. Unaufgeregt und souverän steht die junge Frau mit dem roten Bob und der beigen Bluse vor der Prüfungskommission, die sich in einem notdürftig adaptierten Klassenzimmer eingefunden hat, und entführt sie in die Welt der Wissenschaft: Von Koordinationspolyedern und Bravaisgitter ist die Rede, von Röntgendiffraktometrie, Stokes-Shift und Kasha-Regel. Fast hätte die gebürtige Leibnitzerin und Tochter eines Kunstschmieds dabei vergessen, ihre eigentliche Leistung zu erwähnen: die Herstellung einer neuen Form eines Farbstoffes mit der chemischen Formel Ba2Mg3F10:Eu2+.
Dass Ulrike Zenz ihr Auditorium mit derlei Innovationen mühelos sprachlos macht, ist vor allem Edwin Scheiber zu verdanken. Seit der passionierte Chemielehrer vor acht Jahren den "Ruf" an die Sir-Karl-Popper-Schule im vierten Wiener Gemeindebezirk erhalten hat, ist die Beliebtheit dieses Faches rasant gestiegen. Nicht weniger als 13 Chemie-Maturantinnen und -Maturanten hat der unscheinbare 47-Jährige heuer zu betreuen. Meisterhaft versteht es Scheiber, die Begeisterung der Schülerinnen und Schüler durch Experimente, Exkursionen oder sein "Lab", das jungen Tüftlern außerhalb der Unterrichtsstunden zur Verfügung steht, zu wecken.
Wissenschaftliches Feuer
Ulrike Zenz war eine der besonders Wissensdurstigen. In Scheibers "Lab" war sie ebenso mit dabei wie bei der österreichischen und Wiener Chemie-Olympiade, die der umtriebige Lehrer organisiert. Während des Schnuppertages an der Technischen Universität Wien, wo Scheiber selbst in der Lehrerausbildung tätig ist, hat sie endgültig wissenschaftliches Feuer gefangen: Zenz absolvierte in den Sommerferien ein vierwöchiges Uni-Praktikum, arbeitete mit einer Forschungsgruppe mit - und packte im Herbst ihre Ergebnisse in eine Fachbereichsarbeit. Ganz nebenbei wurde das Opus - als eine von acht Arbeiten österreichweit - von den Verbänden der Chemiker, der Chemielehrer und der chemischen Industrie prämiert.
"Ich will einfach wissen, wie die Welt aufgebaut ist", sagt die junge Frau nach ihrem Auftritt, kurz bevor die Vorbereitung zur Französisch-Matura beginnt. Ein Glücksfall einer Hochbegabung - die in der Popper-Schule auf den Glücksfall eines Pädagogen trifft. "Herr Scheiber ist wirklich ein toller, sehr engagierter Lehrer", erzählt Günter Schmid, Direktor des Wiedner Gymnasiums und zugleich auch Leiter der "Sir-Karl-Popper-Schule für Hochbegabte", die im September 1998 als (Oberstufen-)Schulversuch am Wiedner Gymnasium gestartet worden ist.
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