Olympische Ringe - © FOTO: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Streit um queeres "Abendmahl": War die Eröffnung der Olympischen Spiele blasphemisch?

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Nicht nur Hardcore-Konservative zettelten nach der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris einen Kulturkampf an. Widerspruch gegen den Furor, der hier einmal mehr offenbar ist.

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Nicht nur Hardcore-Konservative zettelten nach der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris einen Kulturkampf an. Widerspruch gegen den Furor, der hier einmal mehr offenbar ist.

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Die Aufregung über die geköpfte ­Geburtsschmerzens-Madonna von Linz war ein laues Sommerlüfterl gegen den fundamentalen Furor, der nicht nur in einschlägigen Kreisen und auf deren Plattformen den Performern der olympischen Eröffnungsfeier in Paris um die Ohren fliegt. Eine „Verhöhnung des Christentums“, „Verletzung religiöser Gefühle“ und „Blasphemie“ werden dabei in die Diskussion geworfen. Alles Versatzstücke, die zu einem sommerlichen Kulturkampf taugen. Und das „laizistische Frankreich“, das hier endlich in die Schranken zu weisen ist, muss nun allen aufgestauten Unmut über die christentumsfeindliche, woke, westliche LGBTQ+-Kultur über sich ergehen lassen.

Zu denken gibt, dass nicht nur die üblichen Verdächtigen aus dem rechtskonservativen Christenlager auf die Barrikaden steigen. Ja, der an dieser Stelle zuletzt auch zitierte Kardinal Gerhard Müller wartete wieder auf kath.net mit einer Wortspende auf, wo er gegen „die völlig entmenschten Posen, mit denen bei der Inaugurationsfeier der Olympischen Spiele LGBT-Ideologen nicht nur das Letzte Abendmahl Jesu, sondern auch ihre eigene Menschenwürde verhöhnten“, wütete er. Die „französischen Autoritäten“, so Müller weiter, „merken nicht, dass sie die Ehre Frankreichs, das als Land und Kultur alles dem Christentum verdankt, in den Schmutz haben ziehen lassen und selbst noch in einem Anfall geistiger Umnachtung daran mitwirkten“.

Bacchanal statt Abendmahl

Aber auch der Passauer Bischof Stefan Oster reihte sich unter die Empörten ein: „Das queere Abendmahl war […] ein Tiefpunkt und in der Inszenierung völlig überflüssig.“ Und der als liberal geltende Kurienerzbischof Vincenzo Paglia tat es ihm gleich und sprach von „blasphemischer Verspottung eines der heiligsten Momente des Christentums“.

Gewiss kann man aus christlicher Perspektive an den Olympischen Spielen einiges kritisieren: Die Gigantomanie (auch der Eröffnungsfeier!) macht aus dem Sportereignis auch diesmal ein kommerziell gesteuertes Megaevent. Und die Verbrämung des Ganzen unter dem Label „Völkerverständigung“ darf nicht nur rund um die Debatten über die (Nicht-)Teilnahme russischer Athletinnen und Athleten hinterfragt werden. Aber all das war den wahren Christinnen und Christen keinen Aufschrei wert.

Einmal mehr entsteht dementgegen der Eindruck, dass das Christentum hier vornehmlich aus Beleidigtsein besteht. Nicht um Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit oder zuvorderst die frohe Botschaft, die diese Religion ihrer Lehre nach im Gepäck mitführt, geht die Auseinandersetzung, sondern um eine Szene in einer insgesamt sinnenfrohen Performance, die viele kulturelle Klischees frech hinterfragte.

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