Taumelnd in der Zwischenwelt
Impulsiv und irrational: Teenager stellen ihr Umfeld oft auf die Probe. Denn in der Pubertät wird auch das Gehirn umgebaut.
Impulsiv und irrational: Teenager stellen ihr Umfeld oft auf die Probe. Denn in der Pubertät wird auch das Gehirn umgebaut.
Es ist einer der großen Übergänge im Leben, für die es einst markante Initiationsriten gab. Schließlich ist die Pubertät eine klassische Schwellensituation: Der Körper wird umgebaut, das Leben zur Baustelle. Die Welt der Kindheit wird verlassen, jene der Erwachsenen ist noch nicht wirklich in Griffweite. Die seltsame Zwischenzone erscheint schummrig; sie ist abenteuerlich und bedrohlich, abgründig und unverständlich; ein Nährboden für Zweifel und Unsicherheit. Neue Leiden tun sich auf, das Mysterium der Sexualität erscheint glühend am Horizont der Existenz. Hinter den Grauschleiern des Alltags lauert das Gefühlschaos. Rückblickend sind manche froh, diese qualvolle Phase ein für allemal hinter sich gebracht zu haben. Andere erkennen darin vielleicht die nie mehr erreichten Höhepunkte ihres allzu routinierten Lebens.
Rausch- und Risikobereitschaft
Mit der Pubertät verändert sich nicht zuletzt das Verhalten: Impulsivität und Imponiergehabe, Rausch- und Risikobereitschaft sind durchaus typisch. Nervenkitzel, wo auch immer er zu finden ist, wird plötzlich interessant. Mitunter tauchen unliebsame Überraschungen auf: Manche Kinder, die bisher gut mit ihren Eltern kooperiert haben, stellen die Zusammenarbeit weitgehend ein; andere zeigen plötzlich destruktive oder selbstdestruktive Züge. Die Abgrenzung zu den Eltern rückt in den Vordergrund – doch das ist notwendig, um die Entwicklung der Kinder „zu eigenständigen, sozialen, verantwortungsvollen und kritischen Erwachsenen fortsetzen zu können“, wie der heuer verstorbene Familientherapeut Jesper Juul schreibt. Dagegen gewinnt der Einfluss jugendlicher Peer-Gruppen zunehmend an Bedeutung.
Was im Inneren der Heranwachsenden vor sich geht, darüber haben sich nicht nur unzählige Eltern, sondern auch Forscher unterschiedlichster Fächer den Kopf zerbrochen. Im Bereich der Neurowissenschaft wurde gezeigt, wie sich die Nervenbahnen im Hirn von Pubertierenden neu strukturieren. Vor allem im Stirnlappen des Gehirns – dem Sitz wichtiger Kontrollfunktionen – kommt es zu längeren „Umbauten“. Dieses Areal ist etwa für die Impulskontrolle, Gefahrenabschätzung und die Fähigkeit zum längerfristigen Planen relevant. Die Launen und Entscheidungsschwächen vieler Jugendlicher könnten auf diesen Umbau zurückzuführen sein. Zudem laufen die Verarbeitung und Zuordnung von Emotionen bei Teenagern und Erwachsenen in unterschiedlichen Hirnarealen ab. Auch dadurch lässt sich die stärkere Impulsivität bei den Heranwachsenden erklären.
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