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Sparefroh muß aktiv werden

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Als Superschutzengel, der für ihr Geld sorgt, sehen viele Österreicher Vater Staat. Zittern sie deshalb so vor der Schilling-Abschaffung?

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Als Superschutzengel, der für ihr Geld sorgt, sehen viele Österreicher Vater Staat. Zittern sie deshalb so vor der Schilling-Abschaffung?

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Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Am 27. November beraten die EU-Wirtschafts- und Finanzminister den im November publizierten Währungs-unionsfahrplan des Europäischen Geldinstituts (European Mone-tary Institute, EMI) mit Sitz in Frankfurt. Der nächste EU-Gipfel findet danach am 16. Dezember in Madrid statt, dort wird voraussichtlich auch ' der Name der zukünftigen gemeinsamen EU-Währung fixiert. Die Euro-Befürworter, Deutschland und Osterreich gehören dazu, müssen sich in Madrid noch gegen die ECU-Anhänger durchsetzen. Danach geht es eigentlich nur noch darum, welche EU-Mitgliedstaaten erfüllen mit ihrem Budget 1997 die Konvergenzkriterien. Am 1. Jänner 1999 wird laut EU-Grünbuch Seite 8 die „einheitliche Währung zur Realität: die Wechselkurse zwischen den nationalen Währungen und gegenüber der (!) ECU werden unwiderruflich festgelegt. Die (!) ECU wird zu einer eigenständigen Währung.”

Der Übergang zu einer einheitlichen EU-Währung schockt in Österreich, mehr noch als anderswo, die Bürger, Sparer und Steuerzahler. Wenn man derzeit landauf, landab bei Vorträgen und Diskussionen mit den heimischen Sparefrohs, den Millionen Büchelsparern, ins angsterfüllte Gespräch kommt, erhält man immer wieder die gleichen Fragen: Wieviel wird mein Geld nach dem 1. Jänner 1999 noch wert sein? Wieviel wird mir der Staat von meinem Sparkapital wegnehmen? Bin ich dieser Währungsumstellung hilflos ausgeliefert? Wohin und in welche Werte soll man flüchten? Hat es einen Sinn, in den selbst nach Meinung führender Schweizer Finanzgrößen weit überbewerteten Schweizer Franken hinüberzuwechseln? Oder ist es besser in eine außereuropäische Währung, zum Beispiel den US-Dollar, die nicht von der Euro-Umstellung betroffen ist, auszuweichen? Kann ich mir durch den Kauf von Gold mein hart erarbeitetes Sparkapital hinüberretten? Das Gold steigt und fällt doch über weite Strecken mit dem Dollarkurs. Soll man jetzt schnell noch in die D-Mark gehen, weil so viel von einer möglichen Schilling-Abwertung geredet wird? Oder ist es besser, jetzt in italienische Lira-Anleihen zu investieren, die hochverzinst sind und dann im Kurs steigen, wenn durch die Währungsumstellung das Euro-Währungsrisiko völlig wegfällt? Wie realistisch ist überhaupt der Termin 1. Jänner 1999? Was passiert, wenn Osterreich mit seinem Budget 1997 nicht die Konvergenzkriterien erfüllt und deshalb nicht EU-Währungsuni-onsmitglied werden darf?

Grundsätzlich ist bei uns in Österreich, stärker als anderswo, die Einstellung zur Sicherheit des eigenen Geldes eine passive. Immer sollen andere, am liebsten der Staat, aber auch die noch immer mehrheitlich im Staatseinfluß stehenden Banken, mir meine persönlichen Risiken abnehmen. Der in jedem Investment- und Finanzlehrbuch nachzulesende Gedanke der aktiven Risikoabsicherung durch internationale Diversifikati-onsstrategien, hat hierzulande nicht viele Anhänger. Ich lege alle meine Vorsorgeschillinge auf ein Schilling-Sparbuch und erwarte mir, ohne mich darum weiter irgendwie zu kümmern, daß mein Geld völlig sicher und ertragreich von der Bank verwaltet wird, lautet die Forderung der heimischen Sparefrohs.

Hinzu kommt, daß Österreich in den letzten beiden Jahrzehnten eine Quasi-Währungsunion mit der Mark einging und vom Glorienschein der deutschen Währung profitiert. Ab 1. Jänner 1999 ist der Schilling jedoch nur noch Ersatzgeld für den Euro, unwiderruflich im Kurs fixiert zu den anderen' Euro-Ersatzwährungen wie zum Beispiel der D-Mark und dem Hollandgulden. Jetzt, angesichts der Frage: „Schaffen die Österreicher mit dem für die Währungsunionsaufnah-me entscheidenden Budget 1997 die Konvergenzkriterien?” steht der Sparer plötzlich vor dem Dilemma, eine eigenverantwortliche Entscheidung über verschiedene mögliche Entwicklungen zu treffen und auf das von ihm für wahrscheinlich gehaltene Szenario eine Geld-Selbstverteidigungsstrategie zu entwickeln.

Daher erscheint die Euro-Währung per 1. Jänner 1999, wenn der Schilling-Kurs unwiderruflich fixiert wird, eher als Bedrohung, denn als Instrument zur langfristigen Sicherung und Stabilität des Geldvermögens in Europa. Was als Stabilitätsinstrument geplant ist, wird von manchen Sparern als gefährliches Risiko empfunden. Eine rasch wachsende Zahl von Sparern sieht überall Gespenster, die ihr Vorsorgekapital bedrohen.

Falsch ist es, sich über die Gespensterpsychose vom Schilling-Klau lustig zu machen. Ganz im Gegenteil, man soll die Sorgen der Fragesteller bitter ernst nehmen. Denn durch bloßes Wegwischen und wortreiches Ausreden der Sorgen überzeugt man niemanden der Gespensterseher. Die konkreten Ängste sind sogar ein guter Ausgangspunkt für die Entwicklung von Geldverteidigungsstrategien. Denn wer meint, der Euro, den er praktisch bereits ab 1. Jänner 1999 in Händen hält - der Schilling ist ab dann nur noch Ersatzwährung - sei nichts wert, hat ein Szenario und sei es auch ein Gruselszenario. Von diesem Szenario ausgehend, kann man dann sehr leicht eine konkrete Strategie entwickeln. Wer so fest überzeugt ist, ab Neujahr 1999 Weichgeld statt den harten Schilling zu erhalten, braucht sich ja nur bloß Hals über Kopf im Schilling verschulden, kauft damit, was er in der Welt noch für hart, sicher und stabil hält: Gold, Schweizer Franken, Immobilien. Der ganz Gewitzte setzt auch auf den unterbewerteten US-Dollar und zahlt mit seiner Meinung nach wertlosem Geld nach dem 1. Jänner 1999 seine dann auf Euro oder die Euro-Ersatzwährung Schilling lautenden

Schulden locker zurück. Auch bei einer äußerst unwahrscheinlichen Schilling-gegen-D-Mark-Abwertung, noch schnell vor dem 1. Jänner 1999, gewinnt man mit einem mit Schilling-Kredit finanzierten D-Mark-Anleihe-Kauf.

Kaum gibt man diesen auf das selbstgebastelte Gruselszenario aufbauenden Kredittip, sind die Gespensterseher nicht mehr ganz so sicher, daß nach dem 1. Jänner 1999 der Euro wirklich so stark im Wert sinkt und die angeblich harten, stabilen Anlagealternativen so stark steigen, daß sich die Schuldaufnahme überhaupt lohnt. Die Schlußfolgerung aus vielen Gesprächen mit den heimischen Sparefrohs lautet: der Österreicher schimpft und raunzt halt gerne bei jeder Veränderung, schlußendlich bleibt er dann doch.bei seinem geliebten Sparbuch, auch wenn es bald auf Euro lauten wird. Erst nach dem

1. Jänner 1999 werden die meisten Sparer und EU-Bürger wirklich erkennen, daß die gemeinsame EU-Währung jenes Instrument ist, das uns im nächsten Jahrtausend Sicherheit, Stabilität und weniger Staats-Neuverschuldung beschert. Der Autor ist

Finanz- und Wirtschaftspublizist sowie Lehrbeauftragter am Institut für Valks-wirtschaftstheorie und Volkswirt-schaftspolitik an der Wirtschaftsuniversität in Wien.

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