Hoffnungslos arbeitslos

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EU-weit gibt es kaum ein Land mit einer so geringen Zahl an älteren Erwerbstätigen wie in Österreich. Die Arbeitslosigkeit der 55- bis 64-Jährigen steigt ständig und die Frühpension ist heiß begehrt. Wie man diese Entwicklung stoppen kann, ist umstritten.

Die EU-Kommission gibt sich enttäuscht von Österreich. In einer Analyse der Wirtschaftspolitik der EU-Länder liegt Österreich auf dem achten Platz und somit im hinteren Mittelfeld. Die Kritik: "Österreich gehört zu jener Gruppe von Mitgliedsstaaten, die die länderspezifischen Teile der Grundzüge der Wirtschaftspolitik alles in allem am schlechtesten umgesetzt haben."

Neben dem zu hohen österreichischen Budgetdefizit (das die Kommission mit 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beziffert, Finanzminister Karl-Heinz Grasser dagegen mit 1,3 Prozent) hebt der Bericht vor allem die geringe Beschäftigungsquote der älteren Bevölkerung hervor.

Österreich ist in diesem Bereich eines der Länder, die in dem Bericht am schlechtesten wegkommen: Nur 26 Prozent der 55- bis 64-Jährigen sind hierzulande berufstätig. Geringere Quoten haben nur noch Luxemburg (24,4 Prozent) und Belgien (24,1 Prozent). Am anderen Ende der Liste steht dagegen Schweden mit 66,5 Prozent.

Auch die neue Arbeitslosenstatistik des Arbeitsmarktservice ist alarmierend: Zwischen Dezember 2000 und Dezember 2002 erhöhte sich die Arbeitslosigkeit der 55- bis 60-jährigen Frauen um 80,3 Prozent, die der über 60-jährigen Männer sogar um 117,2 Prozent. Im Vorjahr waren im Durchschnitt etwa 48.400 Menschen ab 50 arbeitslos.

Das Problem der Altersarbeitslosigkeit könnte künftig jedoch noch massiv verschärft werden, befürchtet der Österreichische Gewerkschaftsbund. Denn die ÖVP sieht in ihrem "Reformprogramm für Österreich" die stufenweise Abschaffung der Frühpensionen vor. Der Leitende Sekretär des ÖGB, Richard Leutner, wettert: "Die Leute haben ja gar keine Chance, länger zu arbeiten. Wenn jemand im Alter von 50 Jahren aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wird, was nützt es ihm dann, wenn die vorzeitige Alterspension abgeschafft ist?" Denn mehr als 50 Prozent aller Pensionsantritte, so Leutner, würden nicht unmittelbar im Anschluss an die Erwerbstätigkeit, sondern nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit erfolgen. Dementsprechend sei nicht die Abschaffung der Frühpensionen, sondern die Verbesserung der Arbeitsmarktsituation für ältere Arbeitnehmer nötig, fordert Leutner: "Vor allem spezielle Qualifikationsprogramme für Menschen ab 40 wären nötig, weil diese durch die raschen Änderungen ihre Qualifikation verlieren und dadurch besonders gefährdet sind. Außerdem wäre ein verbesserter Kündigungsschutz wichtig." Allerdings wolle er diesen nicht mit dem Alter, sondern mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit in Verbindung gebracht wissen.

Die ÖVP sieht in ihrem Reformprogramm dagegen als Anreiz für potenzielle Arbeitgeber die Senkung der Lohnnebenkosten für Dienstnehmer ab 60 um mehr als zehn Prozent vor. Was Leutner für einen völlig falschen Schritt hält: "Das heißt, die Arbeitgeber zahlen weniger zum Sozialsystem. Bei Arbeitnehmern ab 60 ist das noch eine relativ kleine Gruppe. Aber das geht dann ja weiter, dann diskutiert man eine Senkung ab 55 Jahren. Es ist die Frage, wie wir das finanzieren sollen. Leistungskürzungen sind also vorprogrammiert."

Auch Dietmar Köhler, selbst seit sechs Jahren arbeitslos und Obmann des "Vereins zum alten Eisen", der sich um die Probleme von Arbeitslosen ab 40 kümmert, kann einer Abschaffung der Frühpension nichts abgewinnen: "Klar ist, dass die Chance für uns auf dem Arbeitsmarkt gleich Null ist. Das einzige, was durch eine Abschaffung der vorzeitigen Pension passiert, ist eine stille Budgetsanierung. Denn die durchschnittliche ASVG-Pension ist doppelt so hoch wie die durchschnittliche Notstandshilfe." Auch geringere Lohnnebenkosten würden am Problem der Arbeitslosigkeit nichts ändern, ist Köhler sicher: "Es gibt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, nach der jede Wirtschaftsförderung zur Hälfte in die Profite fließt und nicht in die Schaffung von Arbeitsplätzen." Es gebe nur eine einzige Methode, die Anzahl an Beschäftigten zu erhöhen: "Durch eine Verkürzung der Arbeitszeit. Die Rationalisierungen der vergangenen 20 Jahre haben dazu beigetragen, dass man weniger Leute gebraucht hat. Hätte man die Rationalisierung umgesetzt in Arbeitszeitverkürzung, wären die Produktionskosten und die Anzahl der Beschäftigten gleich geblieben."

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