Maria in Medjugorje - © Wikipedia/Doko (CC BY-SA 4.0)

Medjugorje: Ein "Nihil obstat" mit Abstrichen

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Die Anerkennung mit Vorbehalten des bosnischen Wallfahrtsorts durch den Vatikan ist diplomatisch geschickt: Einerseits kommt man dem Wunsch von Millionen Pilgern nach, andererseits bleibt die Frage nach der Echtheit der Erscheinung weiterhin unberührt. Eine Analyse.

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Die Anerkennung mit Vorbehalten des bosnischen Wallfahrtsorts durch den Vatikan ist diplomatisch geschickt: Einerseits kommt man dem Wunsch von Millionen Pilgern nach, andererseits bleibt die Frage nach der Echtheit der Erscheinung weiterhin unberührt. Eine Analyse.

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Die Meldung der Anerkennung des Wallfahrtsorts Medjugorje in Bosnien und Herzegowina durch den Vatikan am 19. September ging um die Welt. Selbst die New York Times
widmete dem Thema einen ausführlichen Bericht und übersetzte diesen sogar ins Spanische – wohl in Anerkennung der größtenteils katholischen spanischsprachigen Leserschaft des Blattes. Ohne Zweifel markiert die Entscheidung eine Zäsur für den Umgang des Vatikans mit dem Pilgerort: Nach jahrzehntelanger ablehnender Haltung hat die römische Glaubenskongregation mit der Nihil obstat-Erklärung („es steht nichts entgegen“) eine grundsätzlich positive Einschätzung zu dem Wallfahrtsort abgegeben.

Für Medjugorje kann die Entscheidung also durchaus als Triumph gewertet werden. Trotzdem lohnt sich ein genauerer Blick auf das Dokument „Die Königin des Friedens“ des Dikasteriums für die Glaubenslehre, das die Anerkennung bestätigte und dies argumentierte. So werden vom Vatikan die vielen „geistlichen Früchte“, die mit Medjugorje verbunden sind, anerkannt. Das Schreiben äußert sich aber explizit nicht zur Übernatürlichkeit, also zur Echtheit der Erscheinungen. Das ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich und entspricht der jüngsten dafür geschaffenen Regelung. Diese lässt sich wie folgt subsummieren: Im Fokus der Einschätzung der Kirche steht nun statt des (übernatürlichen) Phänomens vielmehr die geistliche Dimension des Ortes.

Damit unterscheidet sich Medjugorje von anderen großen Marienwallfahrsorten wie etwa Fatima in Portugal oder dem südfranzösischen Lourdes. So steht für den Vatikan außer Frage, dass die Muttergottes den Hirtenkindern von Fatima, wie auch der Müllerstochter Bernadette Soubirous an der Grotte von Lourdes, tatsächlich während einer kurzen Episode erschienen ist.

Zweifel an Echtheit

Im Falle der „Seher“ von Medjugorje verhält es sich anders. So soll Maria sechs Jugendlichen am 24. Juni 1981 beim Schafehüten erstmals erschienen sein – und diese Erscheinungen hielten bis heute an, so die „Seher“. In regelmäßigen Abständen soll die von ihnen als „Herrin“ bezeichnete Gottesmutter präzise Aussagen zu kirchlichen und weltlichen Themen machen. Sowohl die Häufigkeit der Erscheinungen als auch die konkreten Anweisungen (sie beziehen sich – neben allgemeinen Aufrufen zum Gebet für Frieden – etwa auf traditionelle Standpunkte in Familienfragen oder üben Kritik am Modernismus) ließen den Vatikan jahrzehntelang an der Authentizität der Berichte zweifeln.

Obwohl der Vatikan Wallfahrten nach Medjurgorje viele Jahre sogar verboten hatte, entwickelte sich eine rege Pilgertätigkeit in die 2300-Seelen-Ortschaft in der Herzegowina. Heute besuchen jedes Jahr Millionen Pilgerinnen und Pilger das einstmals verarmte Dorf. Der wirtschaftliche Segen, den der Pilgerboom für die gesamte Region mit sich brachte, ist offenkundig. Auch das mag bei der schwindenden dezidierten Ablehnung des Vatikan mitgespielt haben. So hat Papst Franziskus 2017 den polnischen Erzbischof Henryk Hoser damit beauftragt, die Seelsorgeaktivitäten in Medjugorje näher zu untersuchen und Richtlinien für die Betreuung von Pilgern zu erstellen. 2019 genehmigte Franziskus schließlich katholische Pilgerfahrten nach Medjugorje.

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