Judentum Erinnert - Der Unfassbare. Der Sinai ist zentraler Ort jüdischer Offenbarung: Hier erschien JHWH Mose im brennenden Dornbusch und hier empfing Mose nach dem Auszug<br />
aus Ägypten die Zehn Gebote - © Ilustration: Rainer Messerklinger

Das Tabu des Tetragramms

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Worin liegt das Geheimnis des unsagbaren Gottesnamens im Judentum? Eine Reflexion anlässlich des kommenden Wochen-Festes Schawuot, das Fest der Offenbarung am Berg Sinai.

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Worin liegt das Geheimnis des unsagbaren Gottesnamens im Judentum? Eine Reflexion anlässlich des kommenden Wochen-Festes Schawuot, das Fest der Offenbarung am Berg Sinai.

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Im Tanach, der jüdischen Bibel, ist das Tetragramm (auf griechisch „Vier-Zeichen“) der aus vier Konsonanten bestehende hebräische G’ttes-Name JHWH, der als der unaussprechliche Name des Ewigen gilt – und der bei jeder religiösen Lesung durch die Anrede Adonai (hebräisch „Herr“) ersetzt wird. Das Tetragramm JHWH ist dabei der unvokalisierte Eigenname des Ewigen, der 6828 Mal in der Biblia Hebraica vorkommt. Dabei steht der unnennbare G’ttes-Name in Verbindung mit dem biblischen Bilderverbot (5. Buch Mose 4,15–18). Das Verbot, sich von G’tt ein Bild zu machen, entspricht dem Verbot, IHN mit seinem eigenen Namen zu rufen. Die Unnennbarkeit des G’ttes-Namens wird dadurch noch deutlicher, als dieser in den Heiligen Texten niedergeschrieben, aber zugleich nicht zur Gänze aufgeschrieben wurde. (Auch die hier verwendete deutsche Schreibweise „G’tt“ gilt als Vermeidung des Tetragramms, Anm.)

Die hebräische Schrift kennt nur Konsonanten und keine Vokale. Das gesprochene Wort erwirkt den Anschein, im Augenblick des Sprech-Aktes gegenwärtig zu sein. Das geschriebene Wort hat durch sein Aufgeschriebensein eine Existenz- Form, die in Zusammenhang mit den Heiligen Texten „die Anwesenheit des Abwesenden“ konstituiert. Bedingt durch die fehlende Vokalisation in den Heiligen Texten, in denen der Name des Ewigen aufgeschrieben ist, ergibt sich das Paradox, dass man nicht weiß, wie ER vollständig und richtig geschrieben wurde, da eben die Vokalisation fehlt.

Ursprünglich wurden die Heiligen Texte von Generation zu Generation mündlich überliefert. Zu Jom Kippur, dem heiligsten Tag im Judentum, hat der Hohe Priester im Tempel zu Jerusalem alleine ohne Zuhörer den vollen Namen G’ttes ausgesprochen. In den Jahrhunderten nach der Zerstörung des Ersten Tempels ist dieser volle Name in Vergessenheit geraten.

DER BRENNENDE DORNBUSCH

Im 2. Buch Mose (Schemot/Exodus) stellt sich der Ewige Moses als EHEJE ASCHER EHEJE vor, was ausdrückt: Ich werde sein, der ich sein werde. Der Ewige tritt Moses im brennenden Dornbusch entgegen, bleibt aber dennoch unerkennbar. Der Ewige bleibt in dieser Vorstellung in seiner Transzendenz und Unfassbarkeit der „Verborgene“ – der Deus absconditus. Der Ewige ist auch Israels Erzvätern nicht gestaltlich gegenübergetreten, hat aber sie wie Moses bei ihren Namen gerufen (Bereschit/Genesis, 12–50): Ich bin der G’tt Deines Vaters, der G‘tt Abrahams, der G’tt Isaaks und der G‘tt Jakobs. Zu Moses gewandt sprach der Ewige: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage gehört. Ich kenne ihr Leid und bin herabgestiegen, sie der Hand der Ägypter zu entreißen und sie aus jenem Land hinauszuführen in ein schönes, weites Land …

G’tt erteilt Moses den Auftrag, vom Pharao die Freilassung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei zu fordern. Auf Moses Bedenken und Einwände erteilt ihm der Ewige die Zusage: Ich werde mit Dir sein. Und auf Moses Frage, welchen G’ttes- Name er den Israeliten nennen soll, erhält er vom Ewigen folgende Antwort (Exodus Schemot 3,14): „Ich bin der Ich bin Da. So sollst Du den Israeliten sagen: Der ,Ich bin Da‘ hat mich zu Euch gesandt.“ Somit ist der Name G’ttes biblisch unlösbar mit der exklusiven Erwählung Israels und dessen Befreiung aus der Sklaverei verknüpft.

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