Erwin Ringel - © picturedesk.com / APA-Archiv /  M. Leckel

30. Todestag Erwin Ringels: Ein engagierter Schlingel

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Am 28. Juli 1994 starb der „Psychiater der Nation“, Erwin Ringel. Erinnerungen eines Weggefährten an einen Seelenarzt, Katholiken und Volksbildner mit Weltbürgersinn und Zivilcourage.

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Am 28. Juli 1994 starb der „Psychiater der Nation“, Erwin Ringel. Erinnerungen eines Weggefährten an einen Seelenarzt, Katholiken und Volksbildner mit Weltbürgersinn und Zivilcourage.

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Wir purzeln unfertig in die Welt, und dann werden wir häufig fertiggemacht! Doch unser inneres Kind, der Clown in uns, wehrt sich dagegen. Erwin Ringel war Generalanwalt der Kultur der Kindlichkeit, der Basis ganzheitlich verstandener menschlicher Entwicklung und Gesundheit. Mit Erich Kästner konnte er sagen: „Lasst euch die Kindheit nicht austreiben! Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch!“.

Erwins Freund Peter Turrini hat das treffend erkannt: Musik war für Ringel „Seelentherapie“ Auch in den Therapien „summte er eine Melodie und lächelte wie ein Kind“. Große Begeisterung bestimmte seine Forschungs-, Vortrags- und Lehrtätigkeit ebenso wie seine Freude an edlen Speisen und geselligen Runden. In den Vorträgen fand die Begeisterung in seiner anschaulichen und lebhaften Sprache Ausdruck. Jeder Vortrag war ein Auftritt. Und wenn wir uns nach einem seiner Vorträge trafen, sagte er, strahlend im Rollstuhl sitzend: „Kirchmayr, war ich nicht großartig?!“ Anlässlich seines 70. Geburtstags schenkten ihm seine Studierenden einen Gedichtband von Ringelnatz, versehen mit einem selbstverfassten Gedicht: „Wir haben genug von Musterknaben, uns fehlen geistreiche Schlingel, die Mut, aus der Reihe zu tanzen, haben, Sie werden uns abgehen, Professor Ringel.“

Zurecht wurde Erwin als „Neurosenkavalier, Analytiker der österreichischen Seele und Psychiater der Nation“ bezeichnet. Er verstand seine Arbeit als Befreiungsarbeit und Aufklärung – gegen die Unterdrückung durch Dunkelmänner aller Couleurs und scheinheiliger Pflicht-Prediger. Er war überzeugter christlicher Katholik mit barocker Lebensfreude und daher ein wacher Aufdecker all der vielen klerikalen Sadismen und Pervertierungen des Christlichen. Unermüdlich hat Erwin die Ursachen für das vielfältige neurotische und soziale Elend in jeder Form und Verdünnung angeprangert. Dagegen predigte Erwin in allen möglichen Zusammenhängen „Leben heißt, das Weite suchen, die Ausweitung!“ Und: „Es ist nie zu spät. Immer ist Anfang!“ Er hat zum Lebendig-Sein ermutigt, Erstarrtes aufgelockert. Denn Leben ist Bewegung – Tod ist Erstarrung.

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