Die FURCHE-Herausgeber
Mitten in positive Wachstumsprognosen der Weltwirtschaft platzierte Weltbank-Präsident Robert Zoellick jüngst seine gezielte Warnung: "Wir sind nur einen Schock entfernt von einer ausgewachsenen Krise.“ Tatsächlich könnte die Momentaufnahme der globalen Ökonomie kaum widersprüchlicher sein als gerade jetzt: Einerseits verstärkt die wiederbelebte Konjunktur den Eindruck, das Schlimmste sei endlich überstanden. Andererseits zeigen Euro-Krise und Dollar-Dämmerung, wie dünn das Eis ist, auf dem sich die Unternehmen so geschickt bewegen. Erwartungen nachhaltigen Aufschwungs werden durch ein nach wie vor dysfunktionales Finanzsystem ebenso eingetrübt wie durch Rohstoff- und Energiekrisen. Irrlichternde Preisschwankungen an Währungs- und Wertpapiermärkten unterstreichen die unterschwellige Verunsicherung.
Das Löschwasser ist verbraucht
Viel zu rasch wurden die extrem hohen (Folge-)Kosten der Finanzkrise verdrängt, obwohl ein nächstes Desaster schlicht nicht mehr leistbar wäre. Das budgetäre Löschwasser ist verbraucht, die Bereitschaft der Bürger zu weiteren Hilfeleistungen erschöpft. Und doch werden bis heute keine ausreichenden Schritte zur grundsätzlichen Systemkorrektur gesetzt. Trotz höherer Eigenmittelquoten im reformierten Basel-Regelwerk und einer Internationalisierung der Finanzmarktaufsicht sind wir von einer grundlegenden Erneuerung weit entfernt.
An der systematischen Rückführung des inflationär ausgeuferten Geldsystems auf ein Maß, das wieder im Einklang mit der realwirtschaftlichen Leistungskraft steht, führt jedoch kein Weg vorbei. Denn die Maximierung von Eigenkapitalrenditen auf Basis immer dünnerer Eigenmittelquoten konnte nur vorübergehend - und nur unter Ausklammerung der Folgeschäden systemischer Risiken - erfolgreich sein. Es ist kein Zufall, dass gerade jene - meist asiatischen - Staaten, die sich nicht an der uferlosen Deregulierung des Finanzsystems beteiligt haben, nun ohne den Ballast überbordender Staatsdefizite auf Wachstumskurs gehen. Für sie gilt das angloamerikanische Banken-Modell längst nicht mehr als Vorbild.
Mut zu Finanzmarkt-Wende nötig
Die meisten österreichischen Banken haben ohne überzogene Fremdverschuldung an der lange Zeit als "fantasielos“ geltenden Finanzierung von Unternehmen und Haushalten festgehalten. Und aus Gesprächen mit Unternehmern kenne ich deren Wunsch nach einem Bekenntnis ihrer Finanzpartner zu einem weniger spekulativen, krisenresistenteren Finanzsystem, das wieder in erster Linie der Realwirtschaft dient. Obwohl demnach beide Seiten Interesse an einer Finanzordnung haben sollten, die systemische Schocks zu verhindern hilft, fehlen bis heute gemeinsame, europäische Initiativen unserer Unternehmen und Banken.
Ich bin davon überzeugt, dass uns nur der Mut zu einer echten Finanzmarkt-Wende ersparen wird, im Rückblick auf die nächste Krise jenen Satz aussprechen zu müssen, den FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher auf Fukushima gemünzt hat: "Es ist etwas eingetreten, womit kein Experte kalkuliert, aber jeder gerechnet hat.“
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