Guter Wille, aber kaum eine Verbesserung

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Die öffentliche Entwicklungshilfe ist seit Jahrzehnten ein Stiefkind der Politik. Der zur Begutachtung ausgesandte Gesetzesentwurf lässt keine entscheidende Wende erkennen.

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Die öffentliche Entwicklungshilfe ist seit Jahrzehnten ein Stiefkind der Politik. Der zur Begutachtung ausgesandte Gesetzesentwurf lässt keine entscheidende Wende erkennen.

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Außenministerin Ferrero-Waldner hat 27 Jahre nach dem ersten "Entwicklungshilfegesetz" Österreichs einen Entwurf für ein neues "Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit" (EZA) vorgelegt. In einer nur dreiwöchigen Begutachtungsfrist hatte die Zivilgesellschaft nur sehr beschränkt die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden.

Die kirchlichen Nichtregierungsorganisationen (NRO) waren nicht direkt in die Vorverhandlungen involviert und hatten auch keinen offiziellen Zugang zum Text des Entwurfes. Wenngleich sie nicht an den Vorgesprächen beteiligt und nicht zur Stellungnahme eingeladen worden waren, haben die "Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission", die Österreichische Kommission "Iustitia et Pax" und die "Katholische Aktion Österreich" zum vorliegenden Text eine ausführliche gemeinsame Stellungnahme abgegeben.

Die Kritik der katholischen Einrichtungen lässt sich in den folgenden Punkten zusammenfassen: Zuständigkeit unklar 1) Der vorgeschlagene Text geht über das Gesetz von 1974 nicht wesentlich hinaus. Einwendungen und Vorschläge, die schon 1972 im Begutachtungsverfahren ohne Erfolg gemacht wurden, bleiben zum Großteil auch heute noch gültig. Das Schweizer Bundesgesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe von 1976 (!) war in einigen wesentlichen Punkten fortschrittlicher als der nun vorliegende österreichische Entwurf. In letzterem geht es vor allem um organisatorisch-bürokratische Festlegungen mit einem obrigkeitsstaatlichen Grundton und weniger um inhaltliche Formulierungen, die dem Diskussions- und Erfahrungsstand am Beginn des dritten Jahrtausends entsprechen.

2) Die österreichische Zivilgesellschaft, vor allem die kirchlichen Organisationen, leistet finanzielle Beiträge zur EZA, die mehr als 50 Prozent höher sind als die (vergleichbare) Programm- und Projekthilfe des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten. Trotzdem entsteht durch den Gesetzesentwurf der Eindruck, als wären die im Bereich der EZA tätigen NRO nur geduldete Förderungsempfänger und nicht gleichwertige Partner im Einsatz für eine gerechtere weltweite Entwicklung.

Die NRO werden auf eine subsidiäre Rolle reduziert, obwohl sie EZA-Projekte in Höhe von hunderten Millionen Schilling aus Eigenmitteln finanzieren. Dieses eingeschränkte und nicht den Tatsachen entsprechende Verständnis von den Leistungen vieler NRO wird deren Doppelrolle nicht ausreichend gerecht: Einerseits finanzieren sie Projekte eigener Partner und beantragen gegebenenfalls eine Kofinanzierung aus öffentlichen Mitteln, andererseits zieht sie der Bund als Durchführungsstruktur heran.

3) Der Entwurf zeichnet sich durch zahlreiche Widersprüche aus. So wird zum Beispiel einerseits der Wille zur Berücksichtigung der Zielsetzungen der Entwicklungsländer und ihr Recht auf Entscheidung des eigenen Entwicklungsweges betont. Andererseits wird aber das europäisch-amerikanische Modell des Wirtschaftswachstums und das der Industrialisierung propagiert. Der Respekt vor den Partnern müsste zumindest vor den österreichischen Vorstellungen zum Ausdruck kommen. Anderenfalls könnte die starke Eurozentriertheit ein schlechtes Licht auf die österreichische Entwicklungspolitik werfen.

4) Ein weiterer und folgenschwerer Widerspruch liegt in der Festlegung der Kompetenzen. Nach Paragraf 8 hat der Außenminister die Koordination der internationalen Entwicklungspolitik sicherzustellen. In Paragraf 13 wird aber festgehalten, dass die Zuständigkeit des jeweiligen Bundesministers in EZA-Angelegenheiten außer für die Paragrafen 1 und 8 unberührt bleibt. Wie soll dann die Koordinationsfunktion des Außenministers verwirklicht werden? Welche Möglichkeiten hat der Außenminister, die Entwicklungspolitik im Bund durchzusetzen? Wenn die im Entwurf festgelegten Grundsätze für alle Ministerien gelten sollen, müsste dies im Gesetzestext im Rahmen der legistischen Möglichkeiten zum Ausdruck gebracht werden. Jedenfalls wird die Stellung des Außenministers gegenüber den anderen Ministerien nicht gestärkt.

5) Im vorliegenden Entwurf werden unter den Maßnahmen der EZA auch die Information und Öffentlichkeitsarbeit in Österreich genannt. Dies ist ein Fortschritt gegenüber dem Gesetz von 1974, ist aber nicht ausreichend. Es ist vor allem die stärker dialogisch ausgerichtete entwicklungspolitische Bildung und weniger die einseitig von oben nach unten gerichtete Information und Öffentlichkeitsarbeit (vor allem des Außenministeriums), die die Akzeptanz der EZA in der Bevölkerung erhöht. Die Bildung scheint aber unter den Maßnahmen ebensowenig auf wie Forschung und Dokumentation.

6) Die österreichischen EZA-Leistungen entsprechen nicht der wirtschaftlichen Leistungskraft Österreichs.

Nach der Budgetsanierungsphase muss das EZA-Budget schrittweise erhöht werden. Dafür sollte im Gesetz ein Stufenplan festgelegt werden, der den international und auch von Österreich anerkannten quantitativen Zielsetzungen entspricht. Ein Gesetz ist nur so viel wert, wie es die materiellen Voraussetzungen für seine Durchführung schafft. Die bilaterale EZA ist daher quantitativ durch Gesetz abzusichern.

7) Die Partner im "Süden" und die österreichischen NRO haben seit Jahren darauf hingewiesen, dass mehrjährige Kooperationen planbar sein müssen und daher mehrjährige Verträge mit entsprechenden Finanzierungszusagen erfordern. Das Schweizer Entwicklungshilfegesetz hat dies bereits 1976 berücksichtigt.

Zurechtgestutzt Die österreichische Gesetzeslage (nur einjährige Budgets möglich) und die Problematik eines Präzedenzfalles sollten kein unüberwindliches Hindernis sein. Ob die von der Außenministerin angekündigten Absprachen mit dem Finanzminister über die Möglichkeit einer erhöhten Zahlungsverpflichtung für folgende Finanzjahre genügen, wird die Praxis zeigen. Die entsprechenden Hinweise in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf genügen jedenfalls nicht, weil sie weder eine gesetzliche Möglichkeit, noch eine Verpflichtung festlegen.

Die NRO haben sich seit zehn Jahren bemüht, zu einem zeitgemäßen EZA-Gesetz zu kommen. Anfang der neunziger Jahre wurden zehn Fassungen für einen Gesetzesentwurf mit dazwischenliegenden intensiven Diskussionen erarbeitet. Damals war die Politik offensichtlich nicht zu konkreten Schritten bereit. Dies scheint sich jetzt geändert zu haben, aber das Ergebnis der bisherigen Verhandlungen ist in der Tat kein Durchbruch.

Die hochgesteckten Pläne von Ferrero-Waldner wurden bis zum dritten Textentwurf auf den Boden der aktuellen politischen Realität zurückgeholt. Aber noch ist die Chance nicht ganz vertan: Im Herbst hat das Parlament das Wort. Ein neues EZA-Gesetz darf dort aber nicht im Eiltempo und ohne ausreichende Diskussionen verabschiedet werden. Im Gegensatz zu anderen Gesetzesmaterien muss und kann sich das Parlament hier die Zeit nehmen, um zu einer Einigung aller im Hohen Haus vertretenen Parteien zu kommen.

Bei ihrem Ringen um einen verbesserten Gesetzestext sollten die Abgeordneten auch Folgendes bedenken: Das zukünftige österreichische EZA-Gesetz wird vermutlich das neueste und aktuellste sein, das den EU-Beitrittskandidaten in ihrer Vorbereitung auf den Beitritt und damit auch auf ihre eigene zukünftige EZA als Beispiel vorliegen wird. Die österreichischen Parlamentarier und die Österreichische Bundesregierung haben deshalb über den nationalen Bereich hinaus eine internationale Vorbildwirkung und Mitverantwortung, die für die Einbeziehung zukünftiger EU-Mitglieder in die Bemühungen um eine verstärkte internationale Solidarität mit den Entwicklungsländern von größter Bedeutung sind.

Der Autor ist Entwicklungsexperte und Vizepräsident der Katholischen Aktion Österreich.

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