mozaik - © Illustration: Rainer Messerklinger

Schwesterherz

19451960198020002020

FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer heutigen Kolumne geht es um ihre große Schwester, die ihr Herz und Hirn ist.

19451960198020002020

FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer heutigen Kolumne geht es um ihre große Schwester, die ihr Herz und Hirn ist.

Werbung
Werbung
Werbung

Als Mutter jung und ich ein schreiendes Baby war, war meine große Schwester mein Herz und Hirn. Wenn sie sich aus dem Haus schleichen und zu ihren Freundinnen wollte, lief Mutter ihr nach und legte ihre Hand in meine. Wenn ich wie ein Äffchen brüllte, nahm Schwester mich auf den Schoß und ertrug mein Gespucke. Sie spielte Vater und Mutter, ich immer das Kind. Seit meiner Kindheit blicke ich zu ihr auf und versuche, mich durch Angeberei und Plapperei auf ihrer Augenhöhe zu halten. Unlängst traten wir gemeinsam aus einem Café auf die Straße, da fuhr meine Schwester mit Lichtgeschwindigkeit ihren Fangarm aus. Wie so oft verhinderte sie, dass ich weltvergessenes Kind in ein hupendes Auto krachte. In der folgenden Nacht träumte ich, dass ich keine Arme hatte. Ich saß am Computer und wollte schreiben. Hals über Kopf begannen die dünnen, langen Finger meiner Schwester zu tippen. „Wehe, du erwähnst mich in deinen Lügenmärchen“, las ich am Schirm und sabberte: „Liebes Schwesterchen, schon zu spät!“

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung