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Schüler am Bildschirm

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Ab Herbst 1985 sollen auch die Schüler der Allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) mit der Computerwelt vertraut gemacht werden.

Der Umgang mit der modernen Technik, für die berufsbildenden höheren Schulen (wie Handelsakademien und technische Lehranstalten) längst zur Selbstverständlichkeit geworden, soll auch für die Gymnasiasten zur Pflicht werden.

Vorgesehen ist ein Fach „Elektronische Datenverarbeitung"

mit Schwerpunkt Informatik in Form einer verbindlichen Übung, allerdings ohne Betonung.

Bis jetzt konnten sich nach geltenden Lehrplänen Lehrer und Schüler nur in Freifächern mit diesem Gebiet beschäftigen und zwar im

• Freifach Elektronische Datenverarbeitung (EDV)

• WahlpflichtfachEDV

• Neigungsgruppe Mathematik mit Schwerpunkt EDV.

Dafür wurden in den letzten fünf Jahren rund 20 Millionen Schilling investiert, um bis jetzt ein Drittel der 240 bundeseigenen Allgemeinbildenden höheren Schulen mit einer Minimalausstattung zu versehen.

Die geplante Neuerung gegenüber der derzeitigen Situation besteht in der Einbindung und Ausstattung aller Schulen und die verpflichtende Teilnahme für alle Schüler. Als eine Art Ubergangslösung möchte Unterrichtsminister Helmut Zilk für das kommende Schuljahr eine unbeschränkte Stundenanzahl in den Freifächern EDV durchsetzen. Zu diesem Zweck soll die bestehende

Regelung bezüglich der Freige1-genstände dahingehend abgeändert werden, daß es keine Lehrerstundenbegrenzung mehr gibt. Bis jetzt hängt die Anzahl der möglichen Stunden für Freigegenstände von der Anzahl der Klassen und Schüler ab. Alle an einem Freigegenstand interessierten Lehrer müssen sich diese untereinander aufteilen.

Um die Grundprinzipien der Computertechnik kennenzulernen, wird je ein Lehrer pro Schüler in einem dreiwöchigen Ausbildungsprogramm entsprechend geschult.

Vorgesehen sind dafür zwei Wochen bei einer Herstellerfirma und ein einwöchiges Fortbildungsseminar in einem EDV-Schulungszentrum.

Die noch auszuarbeitenden Lehrpläne für die Schüler ab Herbst 1985 werden enthalten: Handhabung und Bedienung der Geräte, das Erlernen einfacher Programmiersprachen (z. B. BASIC) und der Umgang mit Anwendungsprogrammen.

Nach Möglichkeit sollte der EDV-Unterricht auch alle anderen Fächer zumindest tangieren, sodaß ein entsprechendes „EDV-Umfeld" geschaffen wird.

Dadurch sollen, wie es im Unterrichtsministerium heißt, die sozialen, ökonomischen und gesellschaftspolitischen Zusammenhänge den Schülern deutlich gemacht werden.

Was diese inhaltliche Bestim- . mung eines Gegenstandes Elek-

tronische Datenverarbeitung betrifft, werden seitens der Wissenschaft, insbesondere der Pädagogik, Bedenken erhoben. Kein Zweifel besteht darin, daß die Auseinandersetzung mit der modernen Technologie zu deren Entmystifizierung beiträgt — und auch gar nicht aufgehalten werden kann und soll.

Allerdings erhebt sich die Frage, ob das Erlernen einer anwen-dungsorientierten Programmiersprache wie beispielsweise BASIC als Maßnahme gelten könne, Gymnasiasten auf die Berufsanforderungen vorzubereiten.

Eine empirische Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft zu diesem Thema hat gezeigt, daß die zukünftigen beruflichen Qualifikationen in Richtung Handhabung und Bedienung der technischen Geräte gehen wird.

Das heißt: Im Zuge der technischen Entwicklung werden ohnehin immer mehr Probleme in Form von vorprogrammierten Programmen gelöst werden.

Der größte Teil der Jugendlichen von heute wird es demzufolge in der späteren beruflichen Auseinandersetzung mit der Mikroelektronik höchstwahrscheinlich mit Standardproblemstellungen zu tun haben, deren Bearbeitung immer leichter und menschengerechter würde. Erforderlich sind daher eher Kenntnisse auf Handhabungsniveau. Die sind relativ schnell erlernbar und natürlich betriebsspezifisch ver-

schieden.

Klaus Schedler vom „Institut Bildungsforschung der Wirtschaft" plädiert daher in diesem Zusammenhang vorerst für eine Beschäftigung mit den beruflichen Anforderungen der Zukunft, die nicht nur diese Routinebeherrschung umfaßt, sondern mehr auf sachliche Kompetenz abzielt.

Denn erst auf dieser Grundlage sei es möglich, dem Anspruch gerecht zu werden, gesellschaftspolitische Zusammenhänge zu erkennen.

Andererseits könnten auch nur so die Chancen, aber auch die Gefahren abgeschätzt werden, die sich durch die in alle Lebensbereiche vordringende Anwendung der Mikroelektronik ergeben.

In ein ähnliches Horn bläst auch Johann Steinringer, Lehrbeauftragter für Pädagogik an der Universität Wien: Probleme zu erkennen sei wesentlich wichtiger, als nur Programmiersprachen zu erlernen.

Die Gefahr bestünde sonst darin, daß sich zwar das Wissen vermehrt, aber keine Orientierungshilfe mehr bietet. Besser wäre es, ein Problembewußtsein zu schaffen und Problemlösungsstrategien zu entwerfen.

Es könne daher, betont Steinringer, nicht darum gehen, jetzt schnell auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, sondern abzuschätzen, was man mit dem Wissen anfängt, um entsprechende Entscheidungen zu fällen.

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