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Roter Bumerang

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Das Treibeis auf der Moskwa nimmt von Tag zu Tag kompaktere Formen an. Auf dem grauen Himmel über der Sowjethauptstadt dräuen Nebelschwaden, Schneewolken und ein Bumerang.

Der Bumerang kommt aus dem Westen, wo man sich mit dem Gedanken einer Verstärkung der konventionellen Rüstung zu befassen beginnt. Moskau wirkt ein wenig ratlos.

Daß der Besuch der österreichischen Regierungsdelegation bis zuletzt in Schwebe war, ist bekannt. Ein ZK-Plenum drohte den Sino-watz-Termin zu sprengen. Dann wurde die Sitzung des Zentralkomitees abgesagt: zum erstenmal seit 15 Jahren. Gerüchte über Machtkämpfe im Kreml schwirrten durch die Westmedien. Kaffeesudleser haben Konjunktur.

Wer sich auf Beobachtungen stützt, kann nur berichten, was spitze Ohren in diesen Tagen in Moskauer Ministerien und Instituten zu hören kriegen. Im Bereich der militärischen Strategie ist es eine lautstarke Warnung vor vermehrter konventioneller Rüstung.

Es sei ja recht erfreulich, vernehmen österreichische Journalisten in Moskau, daß im Westen der Trend gegen Atomwaffen zugenommen habe — aber daß er zunehmend mit der Absicht einhergehe, die konventionelle Rüstung zu stärken, sei äußerst bedenklich. Es gebe bereits nichtnukleare Sprengköpfe, die mindestens so verheerend wie einfache Atomwaffen seien, und die Grenze zwischen Atom- und Nichtatomkrieg verwische sich immer mehr. Jetzt konventionell aufzurüsten, wirke stärker destabilisierend als ein paar Raketen hier oder dort.

Die Argumentation verblüfft. War nicht die UdSSR-Politik bisher ganz auf Verhinderung der westlichen Atomwaffenentwicklung gerichtet, die Hauptforderung auf einen Erstschlagverzicht mit Atombomben gezielt gewesen?

Der Westen hat darauf, nicht zuletzt unter dem Eindruck einer vor allem antinuklearen Friedensbewegung, nach außen mit Festigkeit (Nachrüstung"), nach innen aber durch einen Umbau der NATO-Verteidigung sstrategie reagiert. Der nach dem NATO-Oberkom-mandierenden benannte ,JRogers-Plan" sieht neue konventionelle Munitionsarten für Flugzeuge, Marschflugkörper und kleine Raketen vor — alle mit dem Ziel, die Nuklearschwelle zu heben, die Abschreckung im konventionellen Bereich zu erhöhen.

Gleichzeitig will US-Präsident Reagan ab Jänner über einen Abbau aller Arten von Nuklearwaffen en bloc verhandeln. Ist eine rote Propagandarakete nach hinten losgegangen?

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