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Peinliche Abrechnung

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Am 15. April 1980 starb Jean- Paul Sartre knapp 75jährig in Paris. Simone de Beauvoir schildert anhand ihrer Tagebuchaufzeichnungen die letzten zehn Jahre des Schriftstellers, Philosophen, Revolütionärs, des Mannes, den sie liebte. Es ist der minuziöse Bericht vom Erlöschen eines Geistes, dem der körperliche Verfall weit vorausging.

Dieses Erlöschen war die Quittung für den unbarmherzigen Raubbau, den Sartre mit seinem Gesundheitspotential getrieben hatte; er soll jedoch bekannt haben: „Es ist mir lieber, etwas früher zu sterben und die .Kritik der ’ dialektischen Vernunft* geschrieben zu haben.“

Nach mehreren kleinen Schlaganfällen und weitgehender Erblindung sprach Sartre manchmal verwirrt, hatte Absencen, verlor bisweilen die Kontrolle über Blase und Darm, und auch das Essen wurde durch seinen Sehverlust und die Fühllosigkeit seiner Lippen zu einer unappetitlichen Angelegenheit.

Und doch erklärte der große, bis zuletzt Von Frauen um schwärmte Denker seiner Gefährtin in „naiver Selbstgefälligkeit“ (wie diese schreibt): „Nie habe ich den Frauen mehr gefallen.“

Die totale entpersönlichte Unterordnung der Beauvoir in endlosen Gesprächen mit ihrem Mai- tre berührt den Leser unangenehm. Vielleicht muß diese schonungslose und damit auch faszinierende Chronik des Verfalls als späte Abrechnung zwischen Partnern angesehen werden.

DIE ZEREMONIE DES ABSCHIEDS. Von Simone de Beauvoir. Rowohlt Verlag, Hamburg 1983. 568 Seiten, geb., öS 364,80.

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