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Modell kann nicht verordnet werden
Stoßen Modelle, die von den Parteien zur politischen Entwicklung entworfen werden, nicht deshalb auf so geringe Resonanz, weil sie von oben verordnet erscheinen?
Stoßen Modelle, die von den Parteien zur politischen Entwicklung entworfen werden, nicht deshalb auf so geringe Resonanz, weil sie von oben verordnet erscheinen?
Angeregt durch den Beitrag „Gedankenspiele mit Modell-Ideen" (FURCHE 3/1982), möchte ich diese Gedanken aufgreifen. Wenn ich Alberich Klinger richtig verstanden habe, so schwingt in seinen Worten ein Unbehagen mit.
In letzter Zeit werden von den Parteien immer wieder Programme und Modelle entwickelt. Arbeitskreise werden zu verschie-
denen Themen gebildet, Fachleute und Spezialisten hinzugezogen, möglichst viele Bürger und Interessierte werden miteingebunden.
Da wird diskutiert, geschrieben, zusammengefaßt, wieder geändert, werden Lösungen ausgearbeitet, und am Ende haben Hunderte Menschen ein Modell entwickelt, das alle Lebensbereiche erfaßt, bis ins kleinste Detail durchdacht ist und — vom Parteitag abgesegnet — die Arbeitsunterlage für die nächste Zeit bedeutet.
So weit ist dies sicher gut und ein Schritt zu mehr direkter Demokratie.
Aber was geschieht dann?
Das Modell wird vorgestellt, geht durch die Medien; es soll ja die Bürger, jeden einzelnen erreichen. Denn für ihn ist es ja gemacht, er soll sich damit auseinandersetzen, er soll sich angesprochen fühlen, er soll sagen: , ja, die in diesem Modell dargelegten Gedanken und Ideen akzeptiere ich, und wenn diese Partei jetzt auch noch danach handelt, werde ich sie wählen."
Nur: Passiert das? Geschieht das wirklich? Und wenn nicht: Warum nicht?
Eine ganz vordergründige Antwort drängt sich, abgesehen von dem Hauptproblem, auf das ich
dann noch eingehen möchte, auf: Noch nie hat eine Partei ihrem Wähler von der Erstellung des Modells bis zur Wahl genügend Zeit gelassen, um feststellen zu können, ob das, wovon da geredet wird, auch wirklich getan werden kann. Der Wähler müßte Gelegenheit haben, in allen Bereichen immer wieder auf die Erfüllung der im Modell aufgezeigten Gedanken zu stoßen. So würde er langsam Vertrauen gewinnen und wirklich „ja" sagen können.
Ein anderer Grund, warum unsere Modelle immer wieder zu wenig „greifen" und „niemanden hinter dem Ofen hervorlocken", liegt darin, daß keine Identifikation stattfindet. Dies vielleicht auch deshalb, weil schon in der Art der Erstellung eines Modells ein Widerspruch zu den sonst immer gepredigten Grundsätzen liegt.
Greifen wir nur zwei Bereiche heraus: Wo bleibt etwa die Partizipation? Die Partizipation, die
beinhaltet, daß alle mittun, aber auch mitentscheiden und mitverantworten sollen. Das geht nicht nur die Mitglieder von Arbeitskreisen an: Sie sind nicht alle.
Oder: Wo bleibt die Subsidiarität? Die Subsidiarität, die sagt, daß alles, was eine kleine Einheit bewältigen kann, dieser Einheit nicht entzogen werden darf? Die Arbeitskreise, die das Modell erstellen: Sind sie die kleinsten Einheiten? Hätte nicht erst recht die Ortsparteileitung in Müllershausen auch mitdenken sollen? Aber erst wenn möglichst alle, die es angeht, in den Prozeß miteingebunden sind, wäre die Möglichkeit zur wirklichen Identifikation gegeben.
Der Einwand: Wie soll das gehen, daß alle, die einer Gesinnungsgemeinschaft angehören oder nahestehen, mitarbeiten? Und: Alles nur von „unten" ausgehend zu sehen, ist auch falsch.
Erstens: Es geht - die ÖVP hat es in der Parteierneuerungsdis-
kussion schon einmal durchgespielt
Zweitens: Nicht nur von „unten" ist gemeint, sondern beides, von „oben" und von „unten"; es muß eine Wechselwirkung entstehen.
Der erste Schritt bei einer derartigen Arbeitsweise wäre die Erstellung von Generalthemen, die aufgrund von Meinungserhebungen festgestellt werden. Dann würden Arbeitskreise auf Bundesebene, die bereits einen Querschnitt durch die Bevölkerung darstellen, Impulse für die Diskussionen auf Orts- und Betriebsebene erarbeiten.
Der nächste Schritt wäre die Bildung von Arbeitskreisen in den Orten und Betrieben. Die Ergebnisse sollten zusammengefaßt werden zu einem Orts- beziehungsweise Betriebsmodell
Alle Orts- und Betriebsmodelle müßten dann koordiniert und um Landesprobleme ergänzt werden: das Ziel ist ein Landesmodell. Alle Landesmodelle wiederum, auch eventuell Interessengruppenmodelle, angereichert um die Bundesprobleme, müßten dann das Modell Osterreich ergeben.
Um dieses Modell dann breiten Bevölkerungskreisen nahezubringen und gleichzeitig eine echte Wertung der Probleme zu bekommen, sollte in einer großen Aktion jedem Bürger dieses Modell Österreich vorgelegt werden: Er hätte in einem Fragebogen die Hauptpunkte zu werten.
Und erst das Ergebnis dieser Befragungsaktion sollte dann den Prioritätenkatalog für die politische Arbeit darstellen.
Nur: Wird dieser Prozeß nur einmal durchgespielt, um zu einem Modell zu kommen, mit dem sich die Menschen auch identifizieren, genügt das noch immer nicht. Da muß ein permanenter Prozeß entstehen.
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