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Die Weihnachtsferien haben den Hochschulwahlkampf zwar kurzfristig unterbrochen, das akademische Catch-as-catch-can wird jedoch im Jänner mit unvermittelter Schärfe wieder einsetzen; viel Zeit bleibt den Studenten nicht mehr, denn schon am 16. und 17. Jänner wird gewählt.

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Die Weihnachtsferien haben den Hochschulwahlkampf zwar kurzfristig unterbrochen, das akademische Catch-as-catch-can wird jedoch im Jänner mit unvermittelter Schärfe wieder einsetzen; viel Zeit bleibt den Studenten nicht mehr, denn schon am 16. und 17. Jänner wird gewählt.

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Nach wie vor gilt ein beträchtlich großer Teil der Aufmerksamkeit der wahlwerbenden Parteien den ausländischen Studenten, die diesmal zum erstenmal wenigstens aktiv wahlberechtigt sind — mit zirka 10.000 Stimmen werden sie entscheidend in das Wahlgeschehen eingreifen können, da insgesamt nur 60.000 bis 70.000 Studenten wahlberechtigt sind. Überdies sind die meisten Gruppen der Auslandsstudenten politisch interessiert beziehungsweise gruppiert, so daß auf eine hohe Wahlbeteiligung der Gaststudenten geschlossen werden muß.

Mehr denn je steht die soziale Lage des Studenten im Vordergrund der Auseinandersetzungen. Insbesondere die ÖSU (österreichische Studenten-Union) hat sich hier mit Sozialplänen hervorgetan, deren Hauptforderungen bislang auf taube Ohren stießen:

• kostendeckende („dynamisierte“) Hochschulstipendien;

• Bau von Studentenheimen, da mehr als 8000 Heimplätze fehlen;

• Einführung der Aktion „freies Schulbuch“ auf den Hochschulen, wo es übrigens weitaus zielführender wäre als an den Mittelschulen;

• Netzfreikarten für alle Studenten. In die gleiche Kerbe versucht auch der SPÖ-nahe VSStö (Verband Sozialistischer Studenten Österreichs) zu schlagen, wenn er ein „Studentengehalt“ fordert.

Wie aus einer Studie des österreichischen CartellverbaiKles (ÖCV) zweifelsfrei hervorgeht, ist die reale Leistung des Staates pro .Student seit 1971 sogar gesunken:

Die Situation wird noch dadurch verschärft, daß auch die Bedingungen für Studenten, die auf einen Heimplatz in einem Studentenheim angewiesen sind, immer schlechter werden. Gemäß einer Befragung des Statistischen Zentralamtes fehlten im Wintersemester 1971/72 3652 Heimplätze; diese Zahl erhöht sich (laut ÖSU-Report) auf mehr als 7000. wenn man alle jene Studenten addiert, die sich „von der in Heimen herrschenden Machtstruktur abschrecken lassen und ihr Heil und Dach in privaten Quartieren suchen“. In der Zwischenzeit hat sich auf diesem Gebiet die Situation eher verschärft; insbesondere auch deshalb, weil Minister Fimberg nioht willens ist, diese Forderungen der Studenten in diesen Belangen zu vertreten: „Wenn ich Ihre Forderungen aufgreifen würde, würde man mich ja auslachen.“

Gemessen an repressiven Heimordnungen und geschmalzenen Preisen ziehen viele Studenten heute bereits ein privates Zimmer vor.

Die Heimsituation verschlechtert sich jedoch noch um ein weiteres, wesentliches Detail: das Aufnahmesystem. „Ohne entsprechende Referenzen ist in fast keinem der Heime ein Platz zu bekonmmen.“ In einer Zeit, wo Heime zu überwiegenden Mitteln mit Geldern der öffentlichen Hand finanziert werden, ist dies nicht mehr einzusehen. In einer umfassenden Studie führt die ÖSU auch ein besonders krasses Beispiel an: „Das Adolf-Schärf-Kuratorium erhielt 1971 allein vom Bund 3,455.000 Schilling. Dennoch tun Studenten gut daran, bei der Verwaltungsbeamtin M. W. mit einem Blumenstrauß, einer Bonbonniere... und beigelegtem Empfehlungsschreiben eines einflußreichen Politikers vorzusprechen. Mancher hat nach Jahren mieslicher Wohnungssuche solcherart das Problem gelöst. Ab und zu kommen auf diese Weise auch Andersgläubige zu einer Bettstatt im ansonsten sozialistisch dominierten Internationalen Studentenheim.“

Solche Zustände stehen im Mittelpunkt des Hochschulwahlkampfes, dessen großes Fragezeichen aber nach wie vor die Höhe der Wahlbeteiligung bildet. 1971 betrug diese 44,2 Prozent, was sich dm europäischen Durchschnitt recht gut ausmacht; in der BRD schwankt die Wahlbeteiligung zwischen 9 und 35 Prozent, in Frankreich liegt sie bei 30 Prozent und in Finnland bei 40 Prozent. Wenn man weiterhin bedentot, daß von all den inskribierten Studenten bestenfalls 70 Prozent in den Kreis der Wahlberechtigten gezählt werden können, da zahlreiche Neuinskribenten in den Wählerlisten noch nicht, zahlreiche Studenten, die ihr Studium schon abgeschlossen haben, noch immer in den Lasten geführt werden, so darf man an die Wahlbeteiligung nicht zu hohe Anforderungen stellen.

Allgemein wird erwartet, daß die ÖSU, die 1971 mit mehr als 50 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit erringen konnte, diese halten wird und der RFS (Ring Freiheitlicher Studenten) wahrscheinlich wieder etwas verlieren dürfte, was ein geringes Plus auf Seiten der linken wahlwerbenden Gruppen zur Folge haben dürfte.

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