Schlaraffenland-Illusion: Neue Energie, Mobilität und Pflege, aber ohne Verzicht

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Dass wir die Digital-, Mobilitäts- und Pflegetransformation schaffen ohne den Lebensstandard zu verändern, bezweifelt Manfred Prisching.

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Dass wir die Digital-, Mobilitäts- und Pflegetransformation schaffen ohne den Lebensstandard zu verändern, bezweifelt Manfred Prisching.

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Dies und das wird nunmehr grundlegend reformiert und transformiert – kostenlos, ohne Aufwand, ohne Lasten. So hören wir es in den News. Und es bedeutet: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Und wasche ein bisschen schneller.

Wir träumen nicht mehr, wie zur Zeit der Schlaraffenlandillusion, dass die gebratenen Hühner ins Maul fliegen, schon gar nicht in Bio-Qualität in Adipositaszeiten. Aber wir bauen den gesamten Energiesektor, die Schlüsseltechnologie der Moderne, neu, ohne dass es jemanden etwas kostet. Wir driften hinein in die explosiven Kosten des Medizin-Pflege-Pensionswesens, aber das zahlt die Versicherung, es geht uns nichts an. Wir drängen auf eine Neugestaltung des gesamten Verkehrs- und Mobilitätswesens, aber der Um- und Aufbau wird niemanden belasten. Das Immigrationsproblem werden wir mit ein paar kleinen Milliarden für die „Peripherie“ lösen. Die Digitalrevolution kostet nichts, die Großen Vier stellen uns alles zur Verfügung. Und den durch die Kriegszeiten erforderlichen Neuaufbau von abgewrackten Armeen werden wir bewerkstelligen, ohne dass wir dafür Ressourcen widmen müssen. Win-win: Alle profitieren. Das geht durch Produktivitätssteigerung: Die Verkäuferin, der Lehrer, die Ärztin, der Bauarbeiter – sie werden hochmotiviert doppelt so schnell arbeiten. Oder andersrum: Das erledigt in Zukunft alles die KI, wir können loungen.

Eine Politik, die das Notwendige tut, müsste bekennen, dass solche Transformationsprozesse Geld kosten, also den Lebensstandard beeinträchtigen. Aber es ist den Menschen offenbar nicht vermittelbar, dass, jenseits des Schlaraffenlandes, für alle Segnungen bezahlt werden muss – und so sieht sich die Politik nicht in der Lage, das Notwendige zu tun. Eine Zeitlang wird das vielleicht noch gehen.

Der Autor ist Professor für für Soziologie an der Universität Graz.

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