Dass dieser Krieg moralisch nicht zu gewinnen ist, war von Beginn an den meisten Israelis klar – angesichts des dicht besiedelten, kinderreichen Gaza-Streifens und der Skrupellosigkeit der Terrororganisation Hamas, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu benutzen. Viele warnten, die Solidaritätswelle nach dem barbarischen Terrorüberfall am 7. Oktober werde rasch abebben, sobald Bilder von toten palästinensischen Zivilisten um die Welt gingen. Rund acht Monate und mehr als 35.000 tote Palästinenser später, droht Israel derart international isoliert zu stehen, wie es selbst die pessimistischsten Mahner nicht vorhergesehen haben.
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs beantragt Haftbefehl gegen Premier Netanjahu und Verteidigungsminister Gallant – zeitgleich und damit unnötig provokant mit Haftbefehlen gegen die Führung der Hamas. Wohlgemerkt mit vollkommen unterschiedlichen Begründungen. Drei europäische Länder – Spanien, Irland und Norwegen – kündigen die Anerkennung eines Staates Palästina an. Der Internationale Gerichtshof fordert die sofortige Beendigung der Rafah-Offensive. Die Welt erhöht den Druck auf Israel, einen Ausweg aus dem Krieg zu finden, der längst in einer humanitären Katastrophe geendet ist. Während er sein eigentliches Ziel, die Zerschlagung der Hamas, nicht erreicht hat.
Und die Regierung Netanjahu? Zeigt sich unbeeindruckt, sieht antisemitische Verschwörungen und schmettert Freunden wie Feinden „jetzt erst recht!“ entgegen. Einen Plan für eine Nachkriegsordnung des Gaza-Streifens hat Netanjahu bisher nicht vorgelegt. Offenbar ist ihm die Vorstellung, dass darin auch eine Perspektive für die Palästinenser enthalten sein müsste, zutiefst zuwider. Aber genau davon hängt ab, ob die Region weiter im Krieg versinkt oder eine ruhigere Zukunft möglich ist.
Die Autorin ist Redaktionsleiterin Ausland und politischer Hintergrund beim Bayerischen Rundfunk
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!